10.11.2016

WIE ALT IST DIE BRONZEZEIT?

Young Academics: Der ÖAW-Archäologe Felix Höflmayer hat mit dem START-Preis Österreichs höchste Auszeichnung für Nachwuchsforscher erhalten. Nun möchte er den Übergang von der Mittel- zur Spätbronzezeit in der Levante neu untersuchen.

©ÖAW/Elia Zilberberg

Hundert Jahre mehr oder weniger können einen großen Unterschied machen. Was bei einem Vergleich des Jahres 2016 mit dem Jahr 1916 schnell einsichtig ist, gilt auch für weit entfernte Zeiten. Felix Höflmayer vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) forscht zur Mittelbronzezeit in der Levante – und möchte dabei vor allem eines herausfinden: wann genau sie zu Ende ging.

Denn neuere Daten legen nahe, dass der Übergang zur Spätbronzezeit rund hundert Jahre früher begonnen hat, als bisher angenommen. Höflmayer will nun durch die Auswertung seiner archäologischen Funde mittels Radiokarbondatierung – also der Messung der Konzentration eines bestimmten Kohlenstoffisotops in einer organischen Probe – mehr Klarheit in die wissenschaftliche Diskussion bringen. Die Möglichkeit dazu bietet ihm die Finanzierung durch den START-Preis des Wissenschaftsfonds FWF, den er Mitte dieses Jahres erhalten hat.

Im Interview erzählt der junge Archäologe, was ihn an der Bronzezeit eigentlich fasziniert, wie sein kulturwissenschaftliches Fach mit naturwissenschaftlichen Methoden arbeitet und warum spätzyprische Keramiken nicht sehr zuverlässig sind – zumindest wenn es um Datierungen geht.

Welches Projekt möchten Sie mit dem START-Preis realisieren?  

Gegenwärtig wird versucht mit der Radiokarbonmethode das erste naturwissenschaftlich abgesicherte chronologische Datenfundament für die Levante aufzubauen. Bislang hat man die Geschichte der Region vor allem im Abgleich zur Geschichte Ägyptens ermittelt. Das hat man etwa durch die chronologische Altersbestimmung von zyprischen Keramikwaren gemacht, die sowohl nach Ägypten, als auch in die Levante exportiert wurden. Allerdings gab es bei dieser Methode mehrere Datierungsdiskrepanzen. So wird beispielsweise einmal der Beginn der Spätbronzezeit sowohl an den Beginn der 18. Dynastie in Ägypten, als auch an das Auftauchen spätzyprischer Keramiken gekoppelt. Eine andere Interpretation besagt allerdings, dass dieselbe Keramikgattung nicht vor der 18. Dynastie im ostmediterranen Raum auftaucht, weil sie in den mittelbronzezeitlichen Kontexten fehlt.

Hier hilft die Naturwissenschaft?

Die Radiokarbonmethode kann Klarheit schaffen, weil sie uns ermöglicht zum ersten Mal archäologische Kontexte naturwissenschaftlich zu datieren und Ursache und Wirkung historischer Veränderungen auf der Grundlage objektiv verlässlicher Daten nachzugehen. Im Rahmen des START-Projekts werde ich mich zusammen mit Katharina Streit von der Hebräischen Universität Jerusalem auf die Mittel- und Spätbronzezeit konzentrieren. Hierbei wird es um eine Neubewertung des Endes der Mittelbronzezeit in der Südlevante gehen, da neuere Radiokarbondaten nahelegen, dass die Mittelbronzezeit um bis zu hundert Jahre verschoben werden muss und deutlich älter ist, als bislang angenommen.

Wie gehen Sie dabei vor?

Wir werden von ausgewählten Fundplätzen der Südlevante kurzlebige botanische Proben, wie etwa einjährige Samen, entnehmen und sie an der Universität Oxford mittels der Radiokarbonmethode analysieren lassen. Außerdem werden wir am Tel Lachisch in Israel eine gezielte Ausgrabung durchführen, um den Übergang von der Mittel- zur Spätbronzezeit archäologisch zu erfassen.

Besonders interessiert uns hier das Verhältnis zu Ägypten, da wir aus Textquellen erfahren haben, dass ungefähr zur gleichen Zeit die „Hyksos“, eine vorderasiatische Dynastie, die damals in Nordägypten herrschte, von den Ägyptern vertrieben wurde. Es wird ein Kernziel des Projekts sein, zu klären inwieweit Zerstörungen von mittelbronzezeitlichen Städten mit dieser Vertreibung in Zusammenhang stehen. 

Sie haben bereits in anderen Projekten mit der Radiokarbonmethode gearbeitet. Was haben Sie dabei herausgefunden?

Während meiner Zeit am Deutschen Archäologischen Institut und der University of Chicago habe ich mich mit dem Zusammenbruch der ersten Städte der Südlevante der Frühbronzezeit im heutigen Israel, Palästina, Libanon und Jordanien beschäftigt. Zunächst vermuteten wir die Ursache in einem sprunghaften Klimawandel um 2.200 v. Chr. Anhand von Radiokarbondaten von verschiedenen Fundplätzen, unter anderem im Libanon und in Jordanien, konnten wir allerdings nachweisen, dass die Frühbronzezeit dort bereits spätestens um 2.500 v. Chr. zu Ende gegangen ist und die Geschichte der gesamten Region auf Grundlage dieser Daten neu betrachtet werden muss.

Was fasziniert Sie an der archäologischen Grundlagenforschung?

Schon als Student habe ich ein Faible für den Orient entwickelt und während meiner langjährigen Teilnahme an den österreichischen Ausgrabungen in Tell el-Dab’a in Ägypten habe ich begonnen mich auch für die Archäologie der Levante zu interessieren.

Gleichzeitig ist die Bronzezeit eine faszinierende Epoche, in der wir zwar zum ersten Mal historische textliche Quellen zur Verfügung haben, diese aber mit dem archäologischen Befund abgeglichen werden müssen. Gerade die Südlevante ist bis heute eine politisch und religiös höchst aufgeladene Region, in der ein säkularer archäologischer Forschungsansatz von großem Wert sein kann, wenn man die Geschichte der Region nicht ausschließlich durch politisch oder religiös gefärbte Textquellen betrachten möchte.

Und was nutzt uns heute das Wissen über damals?

In den letzten Jahren spielt die Diskussion um den gegenwärtigen Klimawandel mit seinen anthropogenen Ursachen und möglichen Folgen für unsere Gesellschaft eine bedeutende Rolle. Und auch die Flüchtlingsdebatte ist im Hinblick auf das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen und möglicher Integration in den Vordergrund gerückt.

Bei solch akuten Fragen kann die Erforschung von gesellschaftlichen Umbrüchen in vergangenen Zeiten auch helfen, für heutige Gesellschaften Wege aufzuzeigen, wie mit den gegenwärtigen Herausforderungen umgegangen werden kann. Insbesondere der zeitliche Abstand zu den von uns erforschten Kulturen erlaubt es objektivere Schlüsse zu ziehen.

 

 

 

 

Felix Höflmayer ist Archäologe und Ägyptologe. Er forscht

derzeit mit einem APART-Stipendium der ÖAW am Institut für Orientalische und

Europäische Archäologie der Akademie. Zuvor war er als Post-Doc am Oriental

Institute der University of Chicago sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter am

Deutschen Archäologischen Institut tätig. Er unterrichtet an der Universität

Wien und wurde im Juni 2016 mit dem START-Preis des österreichischen

Wissenschaftsfonds FWF ausgezeichnet.

 

 

 

 

INSTITUT FÜR ORIENTALISCHE UND EUROPÄISCHE ARCHÄOLOGIE DER ÖAW