08.05.2020 | Wirtschaftliche Folgen

Warum die Coronakrise vor allem junge Menschen trifft

Junge Erwachsene sind ökonomisch am verletzlichsten. Die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise treffen sie daher besonders hart, sagt Bernhard Binder-Hammer. Der ÖAW-Demograph befürchtet ein Anwachsen der Ungleichheit zwischen den Generationen.

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Jüngere arbeiten oft in prekären Arbeitsverhältnissen, die leicht gekündigt werden können oder einfach nicht verlängert werden. Selbst bei einer Fixanstellung müssen sie oft als Erste gehen. Und: Sie verfügen über geringere Einkommen, besonders beim Jobeinstieg. All das ist nicht erst seit der Coronapandemie so. Aber die Krise verschärft die Schlechterstellung der jüngeren Generationen, sagt Bernhard Binder-Hammer vom Institut für Demographie der Österreichischen Wissenschaften (ÖAW). Diese Problematik sei bisher in der Politik und der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht angekommen.

Welche Gruppen werden die Krise am stärksten zu spüren bekommen?

Bernhard Binder-Hammer: Die unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen treffen natürlich vor allem Unternehmer/innen, Selbständige und Beschäftigte in von Schließungen betroffenen Branchen, etwa im Gastgewerbe, dem Tourismus oder dem Kulturbereich. Diese Gruppen tragen den Löwenanteil der unmittelbaren Corona-Kosten.

Besonders problematisch ist die Situation für junge Menschen, die gerade versuchen am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Aber auch für junge Unternehmen, die gerade in der Aufbauphase sind.

Wie stark einzelne Personen und Unternehmen die Krise spüren, ist jedoch von der genauen wirtschaftlichen Situation abhängig. Aus demographischer Sicht ist dabei die jüngere Bevölkerung besonders betroffen. Junge Menschen, aber auch junge Unternehmen, befinden sich oft in einer Situation, welche sie wirtschaftlich besonders verletzlich macht. Besonders problematisch ist die Situation für junge Menschen, die gerade versuchen am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Aber auch für junge Unternehmen, die gerade in der Aufbauphase sind.

Warum trifft es die Jüngeren?

Binder-Hammer: Das hat mehrere Gründe, viele davon gelten für Wirtschaftskrisen generell. Jüngere arbeiten öfter in prekären Arbeitsverhältnissen, die leicht gekündigt werden können oder einfach nicht verlängert werden. Aber selbst bei Fixanstellung müssen jüngere Mitarbeiter/innen meistens zuerst gehen. Daher steigt die Arbeitslosigkeit in allen Krisen vor allem bei jüngeren Menschen stark an. Corona-spezifisch kommt dazu, dass jüngere Arbeitnehmer/innen in den betroffenen Branchen überproportional vertreten sind. Es gibt für Österreich bereits Indikatoren, die das belegen. Die Arbeitsmarktdaten vom April zeigen, dass die Beschäftigung vor allem bei Jüngeren stark gesunken ist, während sie für die Bevölkerung im Alter von 50+ fast gleich geblieben ist.

Werden sich junge Menschen auch überdurchschnittlich schnell wieder wirtschaftlich erholen?

Binder-Hammer: Leider ist das Gegenteil der Fall. Bei Jobeinsteiger/innen sind die unmittelbaren Kosten nicht sichtbar, weil es ja noch keine Vergleichsdaten für die Einkommen gibt. Wir wissen aber aus Studien, dass ein Jobeinstieg in einer solchen Krisensituation langfristige Konsequenzen hat und nicht nur eine Narbe, sondern eine Art wirtschaftliche Verletzung zurücklässt. Viele können den Rückstand bei Gehalt und Position über den gesamten Lebensverlauf nicht mehr aufholen.

Arbeitsmarktdaten zeigen, dass die Beschäftigung vor allem bei Jüngeren stark gesunken ist, während sie für die Bevölkerung im Alter von 50+ fast gleich geblieben ist.

Aber von der Finanz- und Staatsschuldenkrise hat sich die jüngere Bevölkerung doch relativ rasch erholt?

Binder-Hammer: Leider nicht. Auch die langfristige Einkommensentwicklung nach den letzten Krisen war wenig vorteilhaft für junge Generationen. Generell ist das Nationaleinkommen pro Kopf in Österreich seit 2008 kaum gewachsen. Während jedoch vor allem Pensionist/innen Einkommenszuwächse verbuchen konnten, sind die Realeinkommen der 20- bis 40-Jährigen nicht mehr gewachsen. Es dürften Gehälter bei einem Neueinstieg in einen Job gesunken sein, darüber hinaus ist auch die Belastung durch Steuern leicht gestiegen. Im Vergleich dazu profitieren die Pensionist/innen von Anpassungen, welche die Inflation übersteigen, und höheren Pensionsansprüchen beim Einstieg.

Gilt das nur für Österreich?

Binder-Hammer: In anderen Ländern ist die Situation ähnlich. Vor allem in Griechenland, Italien und Spanien, aber auch Frankreich, hat sich die ökonomische Position junger Menschen verschlechtert. Beachtenswert ist jedoch, dass mit Ausnahme von Griechenland die Einkommen der Bevölkerung im Ruhestand in allen Ländern gestiegen ist. Und: Auch in Griechenland sind die Einkommen für die ältere Bevölkerung wesentlich weniger stark gesunken als für junge Generationen. Eine Konsequenz davon ist, dass die Armutsgefährdung für Kinder seit Jahren stagniert oder steigt und für Ältere stark fällt.

Für viele klingt es paradox, aber höhere Steuern verschärfen die soziale Ungleichheit durch Corona.

Welche Faktoren außer dem Alter können beeinflussen, wie stark Menschen von der Krise getroffen werden?

Binder-Hammer: Es ist ja nicht direkt das Alter, das die Auswirkungen der Krise beeinflusst. Es geht um Charakteristiken, die mit dem Alter zusammenhängen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise sind natürlich auch von der Art des Einkommens und dem Arbeitgeber abhängig. Menschen, die ihr Einkommen vom Staat beziehen, müssen mit keinerlei Einbußen rechnen. Allerdings hängt das ebenfalls stark mit dem Alter zusammen. Generell ist Bildung ein Faktor, der auch in Krisen mit vielerlei Vorteilen verbunden ist und nicht nur die ökonomische Situation beeinflusst: Homeoffice ist bei Menschen mit höherer Bildung verbreiteter. Für Eltern mit höherem Bildungsniveau ist es zum Beispiel leichter möglich, den Ausfall der Schule zuhause mit den Kindern zu kompensieren.

Wie könnte die Politik reagieren?

Binder-Hammer: Das Allerwichtigste ist es, bald wieder wirtschaftliche Aktivität im vollen Umfang zu ermöglichen. Sinnvoll wäre es auch einen Teil der staatlichen Krisenkosten über Ausgabensenkungen zu finanzieren, zum Beispiel indem man die Bezieher/innen gesicherter staatlicher Einkommen an den Kosten beteiligt. Nur so lassen sich höhere Steuern und Abgaben vermeiden, welche junge Generationen zusätzlich belasten und die Erholung wohl noch weiter verzögern würden. Gerade für Österreich wäre eine Senkung der hohen Abgabenbelastung auf Arbeit wünschenswert.

Ist das realistisch?

Binder-Hammer: Leider nein. In der Realität werden die Kosten wohl über Staatsverschuldung und höhere Steuern finanziert werden. Es wird wohl eher Steuererhöhungen geben, die wieder die junge Erwerbsbevölkerung und Unternehmen zusätzlich treffen und vor allem für die Bezieher/innen der gesicherten staatlichen Einkommen verwendet werden. Für viele klingt es paradox, aber höhere Steuern verschärfen die soziale Ungleichheit durch Corona.

Wir haben die kurze Erholung seit 2008 nicht für Reformen genutzt.

Welche Konsequenzen hat das?

Binder-Hammer: Die wirtschaftliche Situation junger Generationen beeinflusst zum Beispiel die demographische Entwicklung. Das Leben eines Menschen enthält üblicherweise zwei lange Phasen, in denen kein oder wenig Einkommen erwirtschaftet wird: Die Kindheit und der Altersruhestand. Beide Phasen werden zum großen Teil durch Transfers von der Erwerbsbevölkerung finanziert. Wir konzentrieren uns meistens auf die staatlichen Komponenten, etwa das Pensionssystem. Als Gesellschaft müssen wir aber auch schauen, ob junge Menschen die Ressourcen und Möglichkeiten haben, eine Familie zu gründen. Der Rückgang der Geburtenzahlen in Italien, Spanien und Griechenland hat auch mit der schwierigen ökonomischen Situation junger Menschen in diesen Ländern zu tun. Viele können sich Kinder schlichtweg nicht leisten.

Sehen Sie die Bereitschaft zu Reformen?

Binder-Hammer: Wir haben die kurze Erholung seit 2008 nicht für Reformen genutzt. Die Geldpolitik läuft seither im Krisenmodus und mit Wahlgeschenken für Pensionist/innen wurde die Herausforderung der Bevölkerungsalterung eher verstärkt. In guten Zeiten ändert sich nichts. Änderungen gibt es nur, wenn sie absolut notwendig sind. Krisen wären ein guter Anlass, um Herausforderungen anzugehen.

Wie ist die Situation im europäischen Vergleich?

Binder-Hammer: Egal welche Krise, die Sorgenkinder sind offenbar immer dieselben. Auch Corona dürfte Italien und Spanien wirtschaftlich am härtesten treffen. Da trifft diese neue Krise eine junge Generation, die bereits in den letzten Krisen massiv geschwächt wurde und kaum Ressourcen zur Abpufferung hat. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht auch diesen Weg gehen. Generell funktioniert im deutschsprachigen Raum die Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt gut. Das ist durchaus etwas, das man als soziales Kapital bezeichnen kann. Skandinavische Länder machen einen guten Job, weil das soziale Transfersystem weniger stark altersorientiert ist und auch jungen Menschen eine gute Absicherung bietet.

Werden junge Menschen von staatlichen Hilfsmaßnahmen, die jetzt überall gesetzt werden, profitieren?

Binder-Hammer: Unmittelbar profitieren auch manche junge Menschen davon. Allerdings sind sie auch die Gruppe, die am leichtesten um Unterstützung umfällt. Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt haben zum Beispiel kaum eine Absicherung. Auf jeden Fall fürchte ich, dass junge Generationen für einige Maßnahmen teuer werden bezahlen müssen. Die Corona-Maßnahmen dienen ja nicht nur dazu, die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen abzufedern.

Egal welche Krise, die Sorgenkinder sind offenbar immer die selben. Auch Corona dürfte Italien und Spanien wirtschaftlich am härtesten treffen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht auch diesen Weg gehen.

Wir sehen da eine gewisse Maßlosigkeit, die von der Politik auch dazu genützt wird, die eigene Macht zu stärken und die eigene Klientel zu bedienen – und junge Menschen spielen da selten eine Rolle. Taxigutscheine für ältere Personen in Wien sind so ein Beispiel. Die Beteiligung des Staates an Unternehmen ist auch sehr kritisch zu sehen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das Wohl des Unternehmens für die staatlichen Lenker oft nicht im Vordergrund steht. Zum Beispiel ist bei Vorstandsbestellungen die Herkunft aus dem Freundeskreis der Politiker/innen oft wichtiger als die Kompetenz. Der wirtschaftliche Erfolg ist dann überschaubar und diese Unternehmen erweisen sich für Steuerzahler/innen als kostspielige Fehlinvestitionen. Aber das hat jetzt nur indirekt mit Ungleichheit zwischen Generationen zu tun.

Das klingt nicht sehr optimistisch.

Binder-Hammer: Bin ich auch nicht. Allerdings wird die Ungleichheit zwischen Generationen verstärkt diskutiert, auch in den Medien. Da darf man durchaus hoffen, dass wir in Zukunft generationell ausgewogenere Antworten auf Krisen finden.

 

AUF EINEN BLICK

Bernhard Binder-Hammer forscht am Institut für Demographie der ÖAW. Zuvor war er an der TU Wien. Er befasst sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit mit Fragen der ökonomischen Demographie, mit Generationengerechtigkeit und Transferleistungen zwischen den Generationen.

Demographische Forschung zu Corona an der ÖAW