17.10.2016

REISE DURCH DAS UNIVERSUM

Die neue ÖAW-Ausstellung „Wie alles begann. Von Galaxien, Quarks und Kollisionen“ führt seit 19. Oktober 2016 im Naturhistorischen Museum vom Big Bang zur größten Maschine der Welt und zu den kleinsten Teilchen des Universums.

©NASA/ JPL-Caltech
©NASA/ JPL-Caltech

Faszinierende Bilder, spannende Wissenschaftsexponate und begehbare Kunstinstallationen: Die Ausstellung „Wie alles begann. Von Galaxien, Quarks und Kollisionen“ des Instituts für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) lädt seit 19. Oktober 2016 alle Wissenschaftsfans im Naturhistorischen Museum Wien zu einer ereignisreichen Reise vom Anfang bis zum Ende unseres Universums ein.

Im Mittelpunkt der Schau stehen dabei Fragen, welche die Menschheit seit Jahrhunderten beschäftigen: Woraus besteht das Universum? Was ist Dunkle Materie? Hat das Universum einen Anfang und ein Ende? Und: Was war vor dem Urknall? Antworten darauf liefern die neuesten Erkenntnisse aus der Teilchenphysik und der Kosmologie.

Wie die Wissenschaft versucht, den Geheimnissen des Universums auf die Spur zu kommen, kann man in der Ausstellung anhand großformatiger Fotografien, beeindruckender Grafiken und einzigartiger Exponate aus nächster Nähe erfahren. So ist das Modell eines riesigen Teilchendetektors im Maßstab 1:20 ebenso zu sehen wie eine Live-Schaltung nach Genf, in den Kontrollraum des CMS-Experiments am CERN, dem größten Forschungszentrum für Teilchenphysik. Doch auch wissenschaftlicher Humor kommt nicht zu kurz: Wer Physik eher sportlich betrachtet, kann sogar Fußball mit Protonen spielen.

Durch zeitgenössische Werke von Kunstschaffenden wie Chris Henschke, Michael Hoch, Brigitte Kowanz, Hofstetter Kurt, Eva Schlegel und Manfred Wakolbinger eröffnen sich den Sinnen der Besucher/innen zudem alternative visuelle und akustische Blickwinkel auf die große Menschheitsfrage, wie vor 13 Milliarden Jahren alles begann.

Mit Teleskopen an die Grenze des Universums

Ein Rundgang durch die Ausstellung beginnt beim sichtbaren Universum. Denn die letzten Jahrhunderte astronomischer Forschung waren geprägt von immer leistungsfähigeren Teleskopen, wie dem bekannten Hubble-Teleskop oder dem Planck-Satelliten, die beide mit Modellen in der Schau vertreten sind. Diese „Fernrohre“ konnten den Horizont des sichtbaren Universums mehr und mehr hinausschieben. Gleichzeitig haben neue physikalische Theorien zu einem besseren Verständnis der komplexen Abläufe im Kosmos geführt.

So konnte die Menschheit die Milchstraße mit ihren hunderten Milliarden von Sternen immer besser kennenlernen und die Welt der Galaxien bis an den Rand des Universums erforschen. Doch der Weg hinaus in den Kosmos ist zugleich ein Weg zurück in die Vergangenheit. Denn mit modernsten Teleskopen kann die Geschichte des Universums in den Blick genommen werden – bis an die Grenze des beobachtbaren Universums, der kosmischen Hintergrundstrahlung, die von einer Zeit zeugt, als das Universum nur 380.000 Jahre alt war. Dahinter verbirgt sich die Welt der Elementarteilchen knapp nach dem Urknall. Es ist eine dem menschlichen Auge verborgene Welt, die sich mit Teleskopen nicht mehr erkennen lässt.

Vom Urknall zu den Bausteinen der Materie

Der Urknall ist denn auch die nächste Station der Ausstellung. In früheren Zeiten nicht viel mehr als eine philosophische Annahme, ist er heute eine unbestrittene Tatsache. Auch wenn es noch keine gesicherte Theorie zum „Wie” des Ursprungs gibt, ist doch bekannt, dass das Universum sich einst in einem Zustand extremer Dichte und Temperatur befand. Es war so heiß, dass eine Milliardstel Sekunde nach dem Urknall sämtliche bekannten Teilchen, die Grundbausteine aus denen unsere Welt und das Universum besteht, in ihrer elementaren Form vorhanden waren.

Doch erst nach ca. 380.000 Jahren war das Universum auf etwa 2.700 Grad abgekühlt, sodass sich die ersten stabilen Wasserstoffatome – die am einfachsten aufgebauten Atome – bilden konnten. Das Universum wurde durchsichtig, und Lichtteilchen, die Photonen, konnten entweichen. Erst ab diesem Zeitpunkt lässt sich das Universum beobachten und die Teilchenphysik ist der Schlüssel zum Verständnis der allerersten Augenblicke. Denn mit Teilchenbeschleunigern kann sie einen Zustand von Materie herstellen, wie er kurz nach dem Urknall geherrscht hat – und eröffnet damit einen Blick auf die Geburt des Kosmos. Dieser „Geburtsvorgang“ lässt sich in der Schau an einem interaktiven Touchscreen erleben, der die hunderttausende Jahre umfassende Zeitspanne vom Urknall bis zur kosmischen Hintergrundstrahlung interaktiv erfahrbar macht.

Mit der größten Maschine der Welt auf der Suche nach den kleinsten Teilchen

Der dritte Teil der Ausstellung nimmt die Besucher/innen mit an die Front der aktuellsten Forschung, die für die Suche nach den kleinsten Teilchen des Universums die größten Maschinen der Welt verwendet: die Teilchenbeschleuniger. Sie können aus bekannten Teilchen neue, bis dato manchmal noch völlig unbekannte Teilchen erzeugen. Dafür werden Teilchen in einer gigantischen kreisförmigen Anlage, die bis zu knapp 27 Kilometer umfassen kann, auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und schließlich zur Kollision gebracht. Gigantische Detektoren weisen dann durch den Zusammenstoß neu entstandene Teilchen nach und vermessen sie. Jede Sekunde müssen dabei die Eigenschaften von Milliarden solcher Teilchen bestimmt werden, obwohl diese oft nur für Bruchteile dieser Sekunden existieren.

Die dazu benötigten Technologien, wurden meist eigens neu entwickelt. Der derzeit größte Teilchenbeschleuniger der Welt befindet sich am CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire). Es liegt an der Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz, nahe der Stadt Genf. Am CERN wird hochkomplexe Forschungsinfrastruktur wie der Large Hadron Collider-Beschleuniger (LHC) entwickelt, gebaut und für wissenschaftliche Experimente zur Verfügung gestellt. Ein Schnittmodell des Beschleunigers lässt in der Ausstellung den Weg der Teilchen durch die kilometerlange Röhre erahnen.

Das CERN ist aber nicht nur ein Ort der neuesten Hochtechnologie sondern auch die Forschungsstätte tausender Wissenschaftler/innen aller Nationalitäten, die dort gemeinsam an der Gewinnung neuer Erkenntnisse zu den Bausteinen unseres Universums arbeiten. Einzelne Großexperimente, wie etwa der Compact Muon Solenoid-Detektor (CMS) zum Aufspüren neuer Teilchen, werden an Universitäten und Forschungslaboratorien weltweit konzipiert und konstruiert, um dann am CERN zum Einsatz zu kommen. Mit Erfolg: Am CERN wurde beispielsweise das berühmt gewordene „Higgs-Boson“ ebenso nachgewiesen, wie die sogenannten W- und Z-Bosonen – allesamt Entdeckungen, die mit Nobelpreisen für Physik gewürdigt wurden.

Das außergewöhnliche an diesem Forschungszentrum ist aber auch, dass hier Technologien entwickelt werden, die den Alltag heute und in Zukunft prägen: vom World Wide Web bis hin zu neuen Techniken für die Medizindiagnostik und Krebstherapie. Österreich ist an diesen Entwicklungen maßgeblich beteiligt. Seit 1959 ist es Mitgliedsland des CERN und das HEPHY der ÖAW liefert seit seiner Gründung vor 50 Jahren entscheidende Beiträge zu den Methoden, Modellen und Experimenten als auch zur Entwicklung von neuen Detektoren.

Mit Kunst an den Nullpunkt von Raum und Zeit

Der Urknall als Lichtinstallation, der Sound des LHC als Minimal Music, der Kosmos als begehbarer Raum – diese Beispiele zeigen, dass die Erforschung der Bausteine der menschlichen Existenz auch ästhetisch in den Blick genommen werden kann. Und nicht nur das: Durch die Installationen von österreichischen Künstler/innen sowie Kunstschaffenden des art@CMS-Projekts am CERN werden die Unendlichkeit des Weltalls und die gigantischen Zeithorizonte seit dem Urknall in der Ausstellung auf eine völlig andere und sinnliche Weise erlebbar.

So entwickelten die Künstlerin Eva Schlegel, die Weltraumarchitektin und Forscherin Barbara Imhof sowie Damjan Minovsky, Computerexperte und Architekt, die begehbare Rauminstallation „Nebel im Kosmos“, die auf einer schwebenden Projektionsfläche mittels Animation Ereignisse im Weltall erlebbar macht. Manfred Wakolbinger wiederum präsentiert die Filme „Galaxies 1-4“, die er dem indonesischen Inselvolk der Toraja gewidmet hat. Diese Videoinstallation entstand aus Fotografien von Salpen, nahezu durchsichtigen, zu den Chordatieren zählenden Meereslebewesen, die Wakolbinger bei einem nächtlichen Tauchgang im Meer vor Sulawesi angefertigt hat. Die leuchtenden Gebilde erschienen ihm wie eine Galaxie in den unendlichen Weiten des Weltalls.

Das lentikulare Objekt „SUSYs Fingerprint“ von Kurt Hofstetter macht die physikalische Theorie der Supersymmetrie sichtbar. Von links ist die asymmetrische Vordergrundebene zu sehen, von rechts die asymmetrische Hintergrundebene. Bei Betrachtung von vorne ist die transparente Überlagerung beider Musterebenen vollkommen symmetrisch wahrnehmbar. Um das Unsichtbare geht es wiederum bei der Lichtinstallation „Nullpunkt von Raum und Zeit“ von Brigitte Kowanz. Sie kreiert einen wunderbaren Fluchteffekt mit dem Ursprung im Zentrum – dem Urknall und der offenen Frage, was ihm vorangegangen ist.

Der australische Künstler Chris Henschke präsentiert die im Zuge des art@CMS-Projekts entstandene Videoinstallation „Nature of the Apparatus“. Das Video über den LHC-Teilchenbeschleuniger am CERN wurde von Henschke algorithmisch bearbeitet, so dass die Klänge des Beschleunigerstrahls den Ablauf des Films steuern. Das CERN steht auch im Mittelpunkt der Fotocollagen der Serie “The GodParticleHuntingMachine” des österreichischen Physikers und Künstlers Michael Hoch. Er zeigt den CMS-Detektor, nicht nur als Wunderwerk moderner Ingenieurskunst und Technologie, sondern auch als ungemein spektakuläres ästhetisches Objekt. In seinen Collagen verschmilzt die Maschine mit unterschiedlichen Blüten, die als Sinnbilder der Natur verstanden werden können.

Vom Big Bang zum Big Crunch?

Alles hat einen Anfang und ein Ende. Am Abschluss der Ausstellung steht daher die Frage: Wie endet das Universum? Die Antwort liegt bei den Besucher/innen. Sie können in einer begehbaren Installation zwischen den drei Szenarien „Big Crunch“ (Zusammenkrachen), „Big Rip“ (Zerreißen) und „Big Freeze“ (Einfrieren) wählen. Doch erst eine weit entfernte Zukunft wird zeigen, ob sie richtig lagen.

 

Die ÖAW-Ausstellung „Wie alles begann. Von Galaxien, Quarks und Kollisionen“ ist vom 19. Oktober 2016 bis 20. August 2017 im Naturhistorischen Museum Wien zu sehen.

Öffnungszeiten & Eintrittspreise

Die Ausstellung wird begleitet von einem reichhaltigen Rahmenprogramm mit Führungen, Vorträgen, Lesungen und Science Events.

Ausstellungsprogramm

„Wie alles begann. Von Galaxien, Quarks und Kollisionen“ ist eine Zusammenarbeit von Institut für Hochenergiephysik der ÖAW und Naturhistorisches Museum Wien.

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