16.05.2012

Neue Mitglieder, neue Programme, neue Strukturen

ÖAW-Bilanz Mai 2012: Präsident Denk ruft zu konstruktiver  Zusammenarbeit auf


Was verbindet den Elektroniker Georg Brasseur (Graz), den Veterinärmediziner und Genetiker Gottfried Brem (Wien), den Demographen Wolfgang Lutz (Wien), den Papyrologen Bernhard Palme (Wien), die Verwaltungs- und Verfassungsjuristin Magdalena Pöschl (Graz) und den Wirtschaftshistoriker Roman Sandgruber (Linz)? - Alle sechs wurden Ende April nach einem dreistufigen Verfahren zu wirklichen Mitgliedern der ÖAW gewählt. Dabei waren das Ansehen der Kandidat(inn)en in der Scientific Community und international übliche Messparameter für wissenschaftliche Qualität (wie Peer Review, bibliometrische Daten, renommierte Preise und Grants) die entscheidenden Kriterien. Die neuen Mitglieder erhielten am 9. Mai 2012 in der diesjährigen Feierlichen Sitzung ihre Dekrete.

Gewählt wurden auch 15 korrespondierende Mitglieder im Inland - unter ihnen sechs Frauen -, ein Mitglied der Jungen Kurie, 15 korrespondierende Mitglieder im Ausland und ein Ehrenmitglied.
Zu korrespondierenden Mitgliedern im Inland wurden die Physikerin Ulrike Diebold (Wien), der Mathematiker Herbert Edelsbrunner (Klosterneuburg), der Immunbiologe Wilfried Ellmeier (Wien), der Geologe Bernhard Grasemann (Wien), der Biomechaniker Gerhard A. Holzapfel (Graz), der Zellbiologe Jan-Michael Peters (Wien), der Materialchemiker Günther Rupprechter (Wien), der Handelsrechtler Peter Bydlinski (Graz), die Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Gehrig-Merz (Wien), der Judaist Armin Lange (Wien), die Musikwissenschaftlerin Andrea Lindmayr-Brandl (Salzburg), der Sprachwissenschaftler Thomas Lindner (Salzburg), die Prähistorikerin Christine Neugebauer-Maresch (Wien), die klassische Philologin Danuta Shanzer (Wien) und die Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik (Wien) gewählt.
In die Junge Kurie wurde die Biologin Kristin Tessmar-Raible (Wien) aufgenommen.

Als korrespondierende Mitglieder im Ausland wurden der Pflanzenmolekularbiologe Bertil Andersson (Singapur), der Physiker Paul Corkum (Ottawa), der Mathematiker Ivar Ekeland (Paris), der Baustatiker Günther Meschke (Bochum), der Anatom Winfried L. Neuhuber (Erlangen), der Geochemiker Ernst Pernicka (Tübingen), die Immunologin Maria Grazia Roncarolo (Mailand), der Gewässerökologe Klement Tockner (Berlin), der Plasmaphysiker Anatoly G. Zagorodny (Kiew), der Sprachwissenschaftler Pier Marco Bertinetto (Pisa), die Historikerin Marina Cattaruzza (Bern), der Archäologe Peter M. Fischer (Göteborg), die Rechtswissenschaftlerin Éva Jakab (Szeged), der Literaturwissenschaftler Joseph Theodoor Leerssen (Amsterdam) sowie der Ökonom Hans-Werner Sinn (München) aufgenommen.
Zum Ehrenmitglied wurde der Archäologe Hans Peter Isler (Zürich) gewählt.

"Die Mitgliederversammlung der ÖAW hat mit diesen Wahlen erneut ihre Fähigkeit zur Selbstergänzung, die - entgegen zuletzt geäußerter Kritik - einzig nach dem Kriterium der wissenschaftlichen Qualität erfolgt, bewiesen", betont ÖAW-Präsident Helmut Denk.

Forschungsträger ÖAW: Bündelung von Ressourcen und Stärken

Im Bewusstsein ihrer gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Verantwortung betreibt die ÖAW anwendungsoffene Grundlagenforschung. Die Akademie hat das Ziel, die führende außeruniversitäre Trägerorganisation für Grundlagenforschung in Österreich zu bleiben.

Die ÖAW ist sich der besonderen Charakteristika und Aufgaben einer außeruniversitären Forschungsorganisation bewusst: Im Vergleich zu Universitäten verfügt sie über eine höhere Flexibilität, sie hat Impulsfunktion für im universitären Bereich noch nicht etablierte Forschungszweige und schließt Lücken, falls wichtige Forschungsfelder im universitären Angebot nicht abgedeckt werden können. Die ÖAW konzentriert sich auf Forschung mit Anspruch auf Exzellenz und fördert bereits seit einigen Jahren konsequent Schwerpunkte in ausgesuchten zukunftsträchtigen Bereichen:

  • Demographischer Wandel, Migration und Integration
  • Europäische Identitäten sowie Wahrung und Interpretation des kulturellen Erbes
  • Molekulare Medizin
  • Molekulare Biologie
  • Angewandte Mathematik
  • Quantenphysik

Diese Schwerpunkte werden beispielsweise in folgenden ÖAW-Instituten bearbeitet:

  • Institut für Demographie
  • Institut für Mittelalterforschung
  • Institut für Sozialanthropologie
  • IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie GmbH
  • CeMM - Forschungszentrum für Molekulare Medizin GmbH
  • GMI - Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie GmbH
  • Johann-Radon-Institute for Computational and Applied Mathematics
  • Institut für Quantenoptik und Quanteninformation
  • Institut für Weltraumforschung

Dem Anspruch, Forschung auf international höchstem Leistungsniveau zu betreiben, werden die genannten und weitere ÖAW-Institute gerecht, wie bibliometrische Analysen oder hochwertige Förderungen, insbesondere ERC Grants, belegen. Derzeit laufen an der ÖAW insgesamt 13 dieser hochwertigsten europäischen Forschungspreise: sechs ERC Advanced Grants, sechs ERC Starting Grants sowie ein ERC Proof of Concept Grant.

Die rasante Weiterentwicklung vieler Wissenschaften erfordert eine dynamische Reaktion jedes Forschungsträgers. So durchforstet auch die ÖAW, nicht zuletzt auf Basis internationaler Evaluierungen ihrer Forschungseinheiten, ihr Forschungsportfolio in regelmäßigen Abständen. Im zunehmend schärfer werdenden globalen Wettbewerb bedarf es kritischer Größe und hoher Visibilität. Daher werden im Verlauf des Jahres 2012 fachverwandte Forschungsaktivitäten in größeren Forschungsinstituten, Clustern und Zentren unter dem Dach der ÖAW zusammengefasst.

Mit dem in der Leistungsvereinbarungsperiode 2012 - 2014 zur Verfügung stehenden Globalbudget kann die ÖAW nicht alle Forschungseinheiten derart finanzieren, dass ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit im jeweiligen Gebiet gesichert werden könnte. Soweit die gedeihliche Entwicklung einer Forschungseinheit eher an einer Universität zu erwarten ist, unter anderem weil eine Finanzierung durch "Offensivmittel" des BMWF nur über die Universität erfolgen kann, befürwortet die ÖAW die Übertragung der betreffenden Einrichtung. Dank der Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten befinden sich diesbezügliche Verhandlungen mit Universitäten in Wien, Innsbruck, Salzburg, Graz, Linz, Leoben und Krems in der Zielgeraden.

Durch Zusammenlegungen und Übertragungen wird sich die Zahl der ÖAW-Forschungseinheiten von ursprünglich 64 auf 26 reduzieren, bei Erhalt aller wesentlichen Forschungsbereiche innerhalb des ÖAW-Portfolios.

Das Präsidium der ÖAW ist sich bewusst, dass Reformen Unsicherheit und Unruhe bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hervorrufen. Die notwendigen Maßnahmen werden daher so transparent wie möglich gestaltet.

Initiative für neue Impulse

Neben der weiteren Förderung bereits erfolgreicher Einrichtungen sieht die ÖAW den Bedarf, ihren Forschungsaktivitäten auch gänzlich neue Impulse zu verleihen und so die Forschungslandschaft Österreich insgesamt zu bereichern. Sie sieht weiters die Notwendigkeit, wissenschaftliche Talente nachhaltig zu fördern. Innovative wissenschaftliche Impulse kommen zumeist von Einzelpersonen, nicht selten in eher frühen Stadien ihrer Karrieren, und "bottom-up". Daher wurde das ÖAW-Impulsprogramm "New Frontiers Groups" (NFG) entwickelt. Die internationale, themenoffene Ausschreibung läuft seit 9. Mai 2012.
Anträge können unter Berücksichtigung des breiten Spektrums aller an der ÖAW vertretenen Wissenschaftsbereiche eingebracht werden: Biomedizin, Molekulare Biologie, Physik, Weltraumforschung, Materialwissenschaften, Mathematik, Informatik, Simulation, Messtechnik und Akustik sowie Altertums , Asien-, Geschichts-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Inter- und multidisziplinäre Projektanträge werden ausdrücklich begrüßt. Die Evaluierung der NFG-Anträge wird vom FWF nach international üblichem Standard durchgeführt. Die New Frontiers Groups werden an einem passenden ÖAW-Institut angesiedelt.

Den Anstoß für die Entwicklung des NFG-Programms gab das von der Jungen Kurie der ÖAW erarbeitete Konzept "PI-Plus Institute", das vom Präsidium gern aufgegriffen und 2011 in die mehrjährige ÖAW-Entwicklungsplanung integriert wurde. Allerdings zeigte sich bereits im Zuge der Leistungsvereinbarungsverhandlung mit dem BMWF, dass die Errichtung eines oder mehrerer PI-Plus Institute angesichts der Finanzlage der ÖAW bis 2014 nicht umsetzbar ist. Auch die von der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung 2012 gewährte Finanzierung - 8 Mio. Euro für mindestens zwei Projekte für fünf Jahre - kommt nicht in die Nähe eines einem potenziellen PI-Plus Institut durchaus vergleichbaren ERC Synergy Grant (dotiert mit bis zu 15 Mio. Euro für sechs Jahre). In Abstimmung mit der Gesamtsitzung der ÖAW, dem BMWF, der Nationalstiftung und dem FWF wurde das PI-Plus-Konzept daher im Sinne von "New Frontiers Groups" modifiziert.

Die Dotierung einer New Frontiers Group beträgt bis zu 4 Mio. Euro und ist deutlich höher als ein START Preis oder ein ERC Starting Grant. Das zunächst auf fünf Jahre befristete, international hochattraktive Gesamtpaket bietet dem NFG-Leiter bzw. der NFG-Leiterin bei erfolgreicher Projekt-Endevaluation, die wiederum in den Händen des FWF liegt, ausdrücklich die Aussicht auf Tenure.
Das NFG-Programm birgt somit die große Chance, nachhaltig "Brain Drain" zu verhindern und "Brain Gain" aus dem Ausland zu generieren.

Blick in die Zukunft

Es gilt, die Reform der ÖAW mit Augenmaß und zugleich tatkräftig voranzutreiben. Im Dialog mit allen an der ÖAW vertretenen Gruppen und mit unseren Partnern außerhalb der ÖAW wird sich das Präsidium nun vor allem folgenden großen Herausforderungen widmen:

  • Das Zusammenwirken zwischen Forschungsträger und Gelehrtengesellschaft der ÖAW ist dahingehend zu überprüfen, ob die aktuelle Konstruktion die bestmögliche Erfüllung der Mission der ÖAW, "die Wissenschaft in jeder Hinsicht zu fördern", gewährleistet.
  • Innerhalb der ÖAW als Forschungsträger ist die leistungsorientierte Mittelverteilung nach transparenten Kriterien durchgängig umzusetzen.
  • Die ÖAW als Gelehrtengesellschaft ist in ihrer Aufgabe, Wissenschaft und Gesellschaft wissenschaftsbasiert und mit Weitblick zu beraten, deutlich zu stärken.

Eine positive Weiterentwicklung erfordert den Einsatz aller Kräfte. "Wir laden daher alle Personen, Gruppierungen und Gremien, denen das Wohl der ÖAW tatsächlich ein Anliegen ist, zur konstruktiven Mitarbeit ein", so Präsident Denk namens des Präsidiums der ÖAW.


Kontakt:
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Österreichische Akademie der Wissenschaften
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