13.10.2016

Mehr als nur schöner Schein

Der Barock war mehr als nur Prunk, Dekadenz und üppige Theaterkunst, Malerei oder Architektur, so das Fazit von Uta Coburger. Die deutsche Kulturwissenschaftlerin war auf Einladung der ÖAW bei der Konferenz „Spettacolo barocco!“ im Theatermuseum Wien zu Gast.

Lodovico Ottavio Burnacini, Wien um 1680 © Theatermuseum, Wien
Lodovico Ottavio Burnacini, Wien um 1680 © Theatermuseum, Wien

Die Zeit des Barock wird oft mit „schönem Schein“ aber wenig Inhalt verbunden. Zu Unrecht, wie sich bei der transdisziplinären Jahrestagung des Instituts für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte (IKT) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zeigte. Vom 5. bis 7. Oktober 2016 wurden Themen der kulturellen Übersetzung und der Zirkulation theatralen Wissens im Wiener Theatermuseum erörtert. Ein passender Ort, denn aktuell läuft dort die Schau „Spettacolo barocco! Triumph des Theaters“, die vom IKT mitgestaltet wurde und das barocke Theater anhand von Bildern, Kostümen und künstlerischen Installationen in den Blick nimmt.

Zu Gast bei der gleichnamigen Tagung war auch die deutsche Barockexpertin Uta Coburger, die in Mannheim die Ausstellung „Barock. Nur schöner Schein?“ kuratiert, bei der auch prominente Leihgaben aus dem Wiener Kunsthistorischen Museum zu sehen sind. Im Interview erzählt Coburger, wie sich die Barockzeit heute vermitteln lässt, welche historischen Ereignisse die Kunst dieser Epoche geprägt haben – und warum Barock eigentlich Barock heißt.

Barock ist für viele Rubens, prunkvolle Architektur, der Spiegelsaal in Versailles etc. - Wird dieser Begriff dieser Zeit überhaupt gerecht, die auch von Innovation geprägt war?

Uta Coburger: Sie sprechen es schon an, es gibt den einen Barock nicht. Es gibt vieles aus dieser Zeit, das „barock“ war, keine Frage und diesen Begriff wird man auch nicht mehr loswerden. Man sollte ihn allerdings kritisch betrachten. Denn zwischen 1590 bis 1750 war viel mehr als Prunkvolles und Üppiges.

Wie kam es dazu, dass der Barock Barock heißt?

Coburger: „Barocco“ ist eigentlich ein Begriff, der ab dem späten Mittelalter verwendet wurde und alles beschrieb, was ungewöhnlich, zu viel oder schief war – wie beispielsweise schiefe Perlen. In der Barockzeit selbst benutzte man dafür einen anderen Begriff. Die Architekturen beispielsweise, die man heute als typisch barock bezeichnen würde, hat man damals als gotisches Werk verteufelt – man wollte das zum Teil also gar nicht, vielmehr orientierte man sich am antikisch-klassischen Ideal, zu dem das „barocke Chaos“ parallel existierte.

Warum wir heute diese Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert überschlagsmäßig „Barock“ bezeichnen ist im Jahrhundert darauf zu verorten, als die Kunstgeschichte begonnen hatte, die Vergangenheit einzuteilen und ihr Namen und Etiketten zu verpassen. Auf den Barock-Begriff kam man, weil das typisch Barocke einen starken Gegensatz zu der geraden, erhabenen Architektur und Kunst der damaligen Zeit bot. Demnach waren affektive Malerei, starke Ausdrucksformen aber auch bewegte Architektur ungewöhnlich – sprich „barocco“.

Wie lässt sich die Barockzeit heute einem breiteren Publikum vermitteln?

Coburger: Natürlich haben wir in der Mannheimer Ausstellung fantastische, „klassisch barocke“ Gemälde, vor allem aus dem Kunsthistorischen Museum Wien. Wir versuchen aber auch zu zeigen, was in dieser Zeit abseits dessen stattgefunden hat. Es war eine Zeit des Aufbruchs – gerade in der Wissenschaft. Man hatte das erste Mikroskop, mit denen Antoni van Leeuwenhoek 1660 erstmals Bakterien fand. Sein drei Zentimeter kleines Mikroskop stellen wir beispielsweise aus. Man erforschte die Gestirne, machte die erste Bluttransfusion, erfand auf der anderen Seite auch Aktien und setzte mit den Handelsschiffen und Handelsrouten so etwas wie Globalisierung in Gang. Zeitgleich war wiederum die starke religiöse Rückbindung stark spürbar. Wir stellen für diesen Gegensatz ein Wachskruzifix aus, das eine Bauchklappe hat. Wenn man diese öffnet, sieht man anatomisch korrekt die Innereien Christi.

Lässt sich das auch im Theater der damaligen Zeit wiedererkennen – Theater stand ja im Fokus der Tagung des IKT?

Coburger: Hier war der Widerspruch genauso zu sehen. Man hatte am höfischen Theater aufwendige, perfekt-illusionistische, theatralische Inszenierungen mit den Techniken der Kulissenbühne, die meist der Herrscherallegorese dienten – die im 18. Jahrhundert dann übrigens am bürgerlichen Theater karikiert wurden. Dem gegenüber stand das geistliche Theater, meist auf bescheideneren Bühnen, aber auch mit illusionistischen Bühnenkünsten, welches moralische Wertvorstellungen klar zum Inhalt machte – generell wurde Moral damals als eine große Tugend und auch als Schönheitsideal angesehen.

Dem Barock ging eine bewegte Zeit voran, wie zum Beispiel die zufällige Entdeckung Amerikas durch Kolumbus oder die Glaubensspaltung durch die Reformation. Inwieweit hat das die darauffolgende Kultur geprägt?

Coburger: Es war eine Zeit der Krise, die von vielen Kriegen geprägt war. Es gab Landstriche, die bis zu 70 Prozent ihrer Bevölkerung verloren haben, viele mussten aufgrund ihres Glaubens fliehen.  Hugenotten, die im katholischen Frankreich verfolgt wurden, hatten deshalb beispielsweise Spiegel mit einem Geheimfach, in dem sie ihre Bibel versteckten oder Miniaturbibeln, die schnell in der Kleidung, unter der Haube, verborgen werden konnten.

Auf der anderen Seite wurden einige Errungenschaften des 15. Jahrhunderts erst in der Barockzeit wirklich in die Breite gebracht, wie beispielsweise der Buchdruck Gutenbergs. Dieser wurde erst dann verwendet, um Bücher in einer Vielzahl zu drucken und so das Wissen, aber auch Beschreibungen ferner Länder in die Gesellschaft zu bringen. Damit kamen auch Flugblätter, Propaganda sowie die erste Zeitung – das weltweit älteste Exemplar haben wir übrigens in Mannheim.

 

 

Uta Coburger studierte Kunstgeschichte, Archäologie und Kunstpädagogik und wurde 2007 promoviert. Sie arbeitet als wissenschaftliche und kuratorische Referentin der Direktion Kunst- und Kulturgeschichte an den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim.

Coburger war auf Einladung des Instituts für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte (IKT) der ÖAW in Wien und nahm an der Tagung „Spettacolo Barocco! Performanz, Translation, Zirkulation“ teil.

Die Ausstellung „Spettacolo barocco! Triumph des Theaters“, die vom IKT mitkuratiert wurde, ist noch bis zum 30. Jänner 2017 im Theatermuseum Wien zu sehen.

INSTITUT FÜR KULTURWISSENSCHAFTEN UND THEATERGESCHICHTE DER ÖAW

AUSSTELLUNG "SPETTACOLO BAROCCO! TRIUMPH DES THEATERS"