29.09.2015

Farbenpracht des Mittelalters

Die Ausstellung „Kloster, Kaiser und Gelehrte“ zeigt illuminierte Handschriften des 15. Jahrhunderts in der Stiftsbibliothek Klosterneuburg. Maria Theisen vom ÖAW-Institut für Mittelalterforschung ist eine der Kuratorinnen der Schau.

Bild: Stiftsbibliothek Klosterneuburg

Prachtvolle Bücher des Spätmittelalters stehen derzeit im Mittelpunkt einer Ausstellung in der Bibliothek des Stifts Klosterneuburg. Ausgewählt wurden die Schätze der Buchkunst unter anderem von der Kunsthistorikerin Maria Theisen, die am Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätig ist. Sie ist Expertin für böhmische Buchmalerei des 15. Jahrhunderts. Wie sie als Grundlagenforscherin zum Kuratieren einer Ausstellung gekommen ist, wie man dabei vorgeht, und welchen Herausforderungen man sich als Kuratorin gegenübersieht, erzählt sie im Interview.

Wie kommt als Wissenschaftlerin zum Kuratieren einer Ausstellung?

Theisen: Vor drei Jahren erfuhr ich bei einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University von meinem amerikanischen Kollegen Jeffrey Hamburger, dass er gemeinsam mit deutschen Wissenschaftlern eine Ausstellungsreihe über die Buchmalerei des 15. Jahrhunderts in Mitteleuropa plant. Insgesamt sind es nun zwei große Ausstellungen und zehn weitere „Stationen der Buchmalerei“, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz stattfinden werden. Die aktuelle Schau in Klosterneuburg ist eine davon. Der Bibliothekar des Stifts, Martin Haltrich, hat mich dann gebeten, ein Konzept zu entwerfen und ein Team zusammenzustellen. Gemeinsam haben wir dann die Ausstellung kuratiert.

Wie geht man beim Kuratieren einer Ausstellung vor?

Theisen: Als erstes muss ein spannender Gesichtspunkt herausgearbeitet werden, der einen Bezug zur Sammlung einer Institution aufweist. In diesem Fall stellte ich mir Frage: Was ist das Besondere an der Stiftsbibliothek Klosterneuburg im 15. Jahrhundert? Welche Sammelgebiete gab es und warum? Dann kommen die Menschen und ihre Bücher in den Blick: Wer hat gesammelt? Welche Bücher sind noch vorhanden? Welche eignen sich für eine Präsentation? So kann man langsam einen Titel herausarbeiten.

Und was ist das Besondere an Klosterneuburg?

Theisen: Eine Besonderheit des Stifts ist, dass die Chorherren alle hochgebildet waren, zum Teil an der Universität in Wien dozierten und als geistliche und gelehrte Berater enge Kontakte zum königlichen Hof hatten. Es handelte sich also um keinen weltabgewandten Konvent, sondern um einen Orden, der in das aktuelle politische und wissenschaftliche Geschehen der Zeit eingebunden war. Das spiegelt sich in den ausgestellten Büchern wider, die von den besten Hofkünstlern illuminiert wurden. Deswegen der Titel „Kloster, Kaiser und Gelehrte“.

Welche Bücher haben Sie ausgewählt?

Theisen: Das Stift verwahrt die größte private Sammlung mittelalterlicher Codices. Wir hatten eine quantitative Vorgabe von rund 20 Exponaten für diese Ausstellung. So wurde die Auswahl fast zu einer  asketischen Übung. Es ist uns aber gelungen, einige Highlights präsentieren zu können, zum Beispiel ein großes, prachtvolles Chorbuch in vier Bänden, das Große Klosterneuburger Antiphonar, dessen Herstellung vier Jahre gedauert hat. Die Bände sind zur Hussitenzeit entstanden, als die Zisterziensermönche aus Sedlec bei Prag nach Klosterneuburg fliehen mussten. Im Gepäck hatten sie die wertvollsten Bücher ihrer Bibliothek dabei, die in der Folge wahrscheinlich die einheimischen Maler inspiriert haben.

Ein weiterer Höhepunkt sind die „Sunthaym-Tafeln“, die anlässlich der Heiligsprechung des Stiftsgründers und Landespatrons Leopold III. entstanden sind. Benannt wurden sie nach Ladislaus Sunthaym, dessen Babenberger-Stammbaum auf acht verzierte Pergamentfolien übertragen und in der Nähe des Leopoldgrabes aufgehängt wurde - als mittelalterliche Plakate, sozusagen.

Das Spätmittelalter stellte übrigens eine Übergangszeit dar, die ersten gedruckten Bücher erschienen und ein Buchmarkt begann sich zu etablieren, der zunehmend auch die allgemeine Bevölkerung erreichte. Daher werden in der Ausstellung auch gedruckte Werke gezeigt. Sie wurden von Hand verziert, was die Buchmaler vor ganz neue Herausforderungen stellte.

Und mit welchen Herausforderungen ist man beim Kuratieren konfrontiert?

Theisen: Eine schöne Herausforderung ist sicherlich die Erstellung eines inhaltlichen Konzepts und die Zusammenstellung eines Teams. Aber auch der permanente Dialog mit der ausstellenden Institution einerseits und den eingeladenen externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderseits. Bei dieser Ausstellung habe ich mit einem internationalen Team aus Ungarn, Deutschland und Österreich gearbeitet, das mit seiner Expertise wesentlich zum Gelingen dieser Ausstellung beigetragen hat. Kuratieren heißt aber auch: stets ansprechbar sein, nicht den Überblick zu verlieren und immer wieder abzugleichen, was wünschenswert ist, was notwendig ist und was tatsächlich möglich ist. Denn nicht jedes Werk lässt sich ausstellen, zum Beispiel weil konservatorische Gründe dagegen sprechen.

Sie arbeiten in der Grundlagenforschung. Was hat Sie daran gereizt, eine Ausstellung zu kuratieren?

Theisen: Ich arbeite ja seit vielen Jahren mit meinen Kolleginnen und Kollegen vom ÖAW-Institut für Mittelalterforschung an der kunsthistorischen Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek. Als Wissenschaftlerin bewegt man sich somit viel in Fachkreisen. Beim Kuratieren einer Ausstellung wendet man sich auch an ein breites Publikum – und hat damit die Chance der Öffentlichkeit Ergebnisse unserer Forschungen zu präsentieren und gleichzeitig zu zeigen, welche Schätze wir hier in Österreich haben.

 

Maria Theisen ist in der Abteilung Schrift- und Buchwesen des ÖAW-Instituts für Mittelalterforschung tätig. Es widmet sich − als einzige Institution dieser Art in Österreich − der wissenschaftlichen Erschließung der rund 25.000 in österreichischen Bibliotheken verwahrten mittelalterlichen Manuskripte. Die Ausstellung „Kloster, Kaiser und Gelehrte. Das Skriptorium und die Bibliothek des Augustiner Chorherrenstiftes im 15. Jahrhundert“ ist vom 15. September 2015 bis 30. Juni 2016 im Stiftsmuseum Klosterneuburg zu sehen. Eine Konferenz zur Ausstellungs-Reihe findet vom 14. bis 16. Jänner 2016 an der ÖAW statt.