05.10.2017

Ein unscheinbares Gewächs als Schlüssel zur Evolution

Die Pflanze Lebermoos bestätigte bei Genom-Analysen durch Molekularbiolog/innen der ÖAW seine Ähnlichkeit zu den ersten Landpflanzen der Erde.

© Wikimedia Commons/Hermann Schachner
© Wikimedia Commons/Hermann Schachner

In freier Natur unscheinbar, im Labor begehrt: Für Frederic Berger vom GMI – Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist Lebermoos hingegen der Schlüssel, um eine entscheidende Phase der Evolution zu begreifen. Nach einer international durchgeführten Genom-Analyse, die von John Bowman von der Monash University geleitet wurde, konnten er und seine Kolleg/innen in einer aktuellen Publikation im Fachmagazin „Cell“ nachweisen, welch verblüffende Ähnlichkeiten Lebermoos zu jenen Pflanzen aufweist, die vor Millionen von Jahren erstmals das Land eroberten.

In seinem Labor am GMI untersuchte Berger anhand des Lebermooses Marchantia polymorpha im Detail, wie sich sogenannte Histone, also Proteine, die die DNA verpacken, entwickelten. Gemeinsam mit Forscher/innen eines internationalen Konsortiums gelang es so, das Genom der Marchantia umfassend zu sequenzieren und zu analysieren. Während Lebermoos schon bisher aufgrund großer anatomischer Übereinstimmungen zu urtümlichen Pflanzen als überaus vielversprechendes Forschungsobjekt galt, wurde nun ersichtlich, dass das Gewächs auch wesentliche genetische Merkmale der ersten Landpflanzen aufweist.  

Modellorganismus für grundlegende Fragen der Pflanzenbiologie

„Marchantia ist ein fantastischer Modellorganismus für sehr viele grundlegende biologische Fragen geworden“, sagt Berger. Die nun gelungene Sequenzierung des Lebermoos-Genoms, ist der Forscher überzeugt, werde das Verständnis von der Entstehung von Landpflanzen, weiter verbessern. Denn Marchantia verspricht neue Rückschlüsse auf den Verlauf der Evolution vor rund 450 Millionen Jahren, als sich aus Süßwasser-Algen allmählich die ersten pflanzlichen Landbewohner entwickelten. Diese setzten geochemische Kreisläufe in Gang, die letztlich in die Entstehung von Tieren an Land mündeten. Eine Geschichte, zu deren Entschlüsselung nun ausgerechnet ein unscheinbares Moos wesentliche Details liefern könnte. 

 

Publikation:

„Insights into land plant evolution garnered from the Marchantia polymorpha genome“, John L. Bowman, ..., Frédéric Berger. Cell, 2017
DOI: dx.doi.org/10.1016/j.cell.2017.09.030

GMI – Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der ÖAW