14.03.2017

Die Kunstagenten Maria Theresias

Reformerin, Herrscherin, Mutter: Heuer wird der 300. Geburtstag Maria Theresias gefeiert. Eine internationale Konferenz der ÖAW und des Kunsthistorischen Museums nahm ihre künstlerisch-mediale Inszenierung in den Blick.

© Kunsthistorisches Museum Wien
Louis Joseph Maurice, Maria Theresia mit ihren vier Söhnen, 1772 © Kunsthistorisches Museum Wien

Bereits mit 23 Jahren trat sie als Erzherzogin in die Fußstapfen ihres verstorbenen Vaters Karl VI. Maria Theresia führte nicht nur die Schulpflicht ein, sondern sie wurde auch aufgrund ihrer 16 Schwangerschaften zu einer Mutterfigur stilisiert. Unzählige Gemälde und Statuen erinnern noch heute an ihre Regentschaft. Mit der künstlerisch-medialen Inszenierung der Herrscherin setzte sich vom 29. bis 31. März 2017 die internationale Konferenz „Kaiserin Maria Theresia (1717–1780). Repräsentation und visuelle Kommunikation“ auseinander, die vom Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gemeinsam mit dem Münzkabinett des Kunsthistorischen Museum Wien (KHM) organisiert wurde.

Die ÖAW-Forscherinnen Sandra Hertel und Stefanie Linsboth sprechen im Interview darüber, wie Maria Theresia über die Jahre inszeniert wurde, wie Diplomaten zugleich Kunstagenten waren und welche verschiedenen Rollen die Herrscherin eingenommen hat.

Wie hat sich die Darstellung Maria Theresias im Laufe der Jahre verändert?

Sandra Hertel: Auf den Medaillen wurde ihr Gesicht ihrer Lebensphase entsprechend dargestellt. Bevor Maria Theresia den Thron bestieg, wurde sie als junge Frau mit Brustansatz porträtiert. Als Herrscherin erschien sie mit Doppelkinn und stolzem Blick, der zeigte, dass sie reif genug für das Regieren war. Als Witwe hatte sie ein älteres, volleres Gesicht mit einem weiterhin machtbewussten Ausdruck, der betonte, dass sie weiterregieren werde. Auf Gemälden ist sie mit rundem, vermutlich authentischem Gesicht zu sehen – doch trotz der zahlreichen Schwangerschaften hatte sie immer eine Wespentaille. Erst als Witwe wurde ihr Körper fülliger abgebildet.

Als Herrscherin erschien sie mit Doppelkinn und stolzem Blick, der zeigte, dass sie reif genug für das Regieren war. 

Stefanie Linsboth: Nach dem plötzlichen Tod Franz Stephans 1765 wurde sie nicht nur mit Witwenschleier und schwarzem Kleid gezeigt, auch inhaltlich veränderte sich die Darstellung, denn Franz Stephan ist häufig als Büste oder Relief im Bildhintergrund präsent. Zu seinen Lebzeiten hingegen erschien er auf Einzelporträts Maria Theresias manchmal in Form eines Miniaturporträts, das sie als Schmuckstück an ihrer Brust trug. Viele Gemälde stellen Maria Theresia außerdem in den späteren Herrscherjahren in neuer Form – etwa schreibend – dar.

Hertel: Während die frühen Werke noch unter dem barocken Einfluss stehen, sind die Bilder aus den 1770er Jahren stärker vom Klassizismus geprägt und zeigen konkrete Handlungen der Herrscherin – auch im Sinne der Aufklärung. Zugespitzt könnte man sagen, dass der Prunk des Barock einem staatlichen Pragmatismus gewichen ist.

Gibt es Hinweise, dass sie bei künstlerischen Inszenierungen eingegriffen hat?

Linsboth: Ein konkretes Beispiel ist ein Gemälde für den Hochaltar der Innsbrucker Hofkirche, das die Kreuzauffindung durch die heilige Helena zeigte. Weil sie die Gesichtszüge Maria Theresias getragen haben soll, ließ diese das Gemälde entfernen und ein neues Altarbild von einem anderen Maler anfertigen. Auch in anderen Fällen konnte sich der Anbringungsort von Kunstwerken ändern. Der Maler Anton von Maron schuf ein großformatiges Witwenporträt für das Schlafzimmer in Schloss Schönbrunn. Von den Vorstudien war Maria Theresia zwar sehr begeistert – das fertige Porträt wurde jedoch dort nie aufgehängt.

Weil die heilige Helena die Gesichtszüge Maria Theresias getragen haben soll, ließ diese das Gemälde entfernen.

Hertel: Maria Theresia ließ die Maler nach den stilistischen Vorgaben der Zeit arbeiten, sie kommentierte jedoch gelegentlich Porträts ihrer Kinder, wobei sie besonders auf physische Ähnlichkeit achtete. Aus den Quellen geht auch hervor, dass sie Präferenzen für manche Künstler hatte, wie etwa für den italienischen Maler Pompeo Batoni. Seine Arbeiten in Rom wurden von Mitarbeitern, die politische und diplomatische Verpflichtungen hatten, überwacht. Diese begutachteten den Entstehungsprozess der Werke vor Ort und beauftragten teilweise auch Nacharbeiten. Diplomaten hatten also als Kunstagenten für Maria Theresia eine Doppelfunktion inne.

Im 18. Jahrhundert waren souveräne Herrscherinnen ungewöhnlich. Wie agierte Maria Theresia als Frau?

Hertel: Maria Theresia hat in ihrer Herrschaftsinszenierung unterschiedliche Rollen angenommen und changierte häufig zwischen den Geschlechtern. Bei der Krönung in Ungarn etwa trat sie zwar in einem prächtigen Kleid auf, wurde aber in traditioneller Weise zum König von Ungarn gekrönt. Die Anwesenden bejubelten sie mit dem Ruf „Es lebe die Herrin, unser König“, der die Differenz zwischen ihrem politischen und biologischen Geschlecht zeigt. Wie es im ungarischen Krönungszeremoniell üblich war, führte sie zu Pferd die symbolischen Schwertstreiche in die vier Himmelsrichtungen aus, um zu demonstrieren, dass sie Ungarn gegen alle Feinde verteidigen werde. Die Rechtmäßigkeit ihrer Thronfolge wurde zwar von jenen Gegnern in Frage gestellt, die sich durch die Anfechtung territoriale oder politische Gewinne erhofften – in den österreichischen Ländern erfolgte der Herrschaftswechsel jedoch ohne nennenswerten Widerstand.


Inwieweit zeigt sich Maria Theresias Religiosität in der bildenden Kunst?

Linsboth: Sie stiftete einerseits sehr viele Paramente, Altarbilder und liturgische Geräte für Kirchen und Klöster. Andererseits wurden von adeligen oder kirchlichen Auftraggebern Altarbilder und Skulpturen in Kirchen installiert, die einen Bezug zu Maria Theresia herstellen sollten, ihre Namenspatronin, die heilige Theresia von Ávila, wurde dabei besonders favorisiert. Einige dieser Heiligendarstellungen sollen auch die Gesichtszüge Maria Theresias tragen. Das ist aber meist zu hinterfragen. Miniaturen, Andachtsbilder oder Grafiken visualisierten sie auch als fromme Herrscherin, die sich beispielsweise der religiösen Lektüre widmete, betete oder einem Gnadenbild huldigte.

Was macht Forschungen zu Maria Theresia so spannend?

Hertel: Maria Theresias Herrschaft war in vielerlei Hinsicht eine Ausnahmesituation und sie wird bis heute stark idealisiert. Es ist interessant, in den Quellen zu beobachten, wie sie selbst an dieser Idealisierung mitwirkte und welche Ziele sie dabei verfolgte. Sie war wohl eine sehr intelligente Frau, die schnell gelernt haben dürfte, wie Herrschaft umgesetzt wird.

Linsboth: Unzählige Porträts und Darstellungen Maria Theresias sind auch heute noch in vielen Institutionen und Museen präsent. Daher ist es spannend, sich mit den unterschiedlichen „Bildern“ Maria Theresias zu beschäftigen, die sie etwa als fromme Herrscherin oder Witwe darstellen und vielfältige künstlerische und ikonographische Ausformungen zeigen.

 

Sandra Hertel ist seit 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Kunstgeschichte des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der ÖAW. Sie studierte Geschichte sowie Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft in Köln und Salamanca, 2012 promovierte sie an der Universität Wien.

Stefanie Linsboth studierte Kunstgeschichte und Religionswissenschaft in Wien und Münster und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen der ÖAW. Derzeit arbeitet sie an ihrer Dissertation zu Religiosität und Frömmigkeit in der visuellen Herrscherrepräsentation Maria Theresias.

Die Konferenz „Kaiserin Maria Theresia (1717–1780). Repräsentation und visuelle Kommunikation“ fand vom 29. bis 31. März 2017 an der ÖAW und am KHM in Wien statt.

Programm

Das Projekt „Herrscherrepräsentation und Geschichtskultur unter Maria Theresia (1740–1780)“, gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF, steht hinter der Konferenz. Unter der Leitung von Werner Telesko, Direktor des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der ÖAW, werden dabei nicht nur Gemälde, Druckgrafiken und Medaillen analysiert, sondern auch Huldigungsschriften, Altarbilder und Fresken.

Projektinfos

Mehr zu Maria Theresia ist auch in der Jubiläumsausstellung „300 Jahre Maria Theresia“ zu erleben, die das Leben und Werk der Kaiserin an vier Standorten in Wien und Niederösterreich beleuchtet. Werner Telesko ist einer der Kuratoren der Schau am Ausstellungsstandort Hofmobiliendepot.

Ausstellung

Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen der ÖAW