29.03.2012

Blutrote Seen durch Klimaerwärmung?

Langzeitdaten am ÖAW-Institut für Limnologie ausgewertet


Wertvolle Langzeitdaten aus vierzig Jahren ermöglichen Prognosen zum Wachstum der Burgunderblutalge am oberösterreichischen Mondsee im Zuge des Klimawandels. Es ist zu erwarten, dass die Erhöhung der Wassertemperatur die Wachstumsperiode der giftigen Alge verlängern wird. Das geht aus einer Datenanalyse am Institut für Limnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Mondsee hervor.

Toxinbildung bei Algen

Die Burgunderblutalge (Planktothrix rubescens) ist eine zu den Cyanobakterien zählende, planktisch lebende Alge. Sie kann bei verstärktem Auftreten zur Rotfärbung ganzer Gewässer führen. Der Name hat seinen Ursprung aus der Gegend um den Schweizer Murtensee. Die regelmäßige Rotfärbung des Sees führte in der Bevölkerung zu der Legende, dass das Blut der vielen, in der Schlacht bei Murten 1476 ertrunkenen Soldaten aus Burgund den Farbwechsel verursacht hätte. Inzwischen weiß man, dass dafür das rote Pigment Phycoerythrin verantwortlich ist. Die Alge kommt vor allem in tiefen, geschichteten Seen (z.B. Mondsee (Oberösterreich), Zürichsee (Schweiz) oder Ammersee (Bayern) oder aber in Talsperren und Reservoiren vor. Bei massenhafter Vermehrung stellt das, von der Alge gebildete Toxin Microcystin eine Gefahr für Wasserlebewesen und für die Trinkwasserversorgung dar. Es gibt Algen mit und ohne die Fähigkeit zur Toxinbildung. Eine überregionale Bestandsaufnahme zeigt, dass toxische Vertreter dieser Alge in ganz Europa vorkommen und ihre Häufigkeit mit der Populationsdichte sehr deutlich positiv korreliert. (Spatial divergence in the proportions of genes encoding toxic peptide synthesis among populations of the cyanobacterium Planktothrix in European lakes, FEMS Microbiology letters, Abstract). Daraus folgt, dass Algenblüten dieser Alge mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit toxisch sind.

Gute Wasserqualität als Wachstumshemmer

Seit vierzig Jahren werden Daten zum Vorkommen und zur Lebensweise von Planktothrix gemeinsam mit chemischen und physikalischen Parametern des Mondsees erhoben. Diese Ergebnisse sind Teil der ökologischen Langzeitforschung am LTER Austria-Standort Mondsee (LTER = Long Term Ecological Research). Erstmalig wurde die Burgunderblutalge im Herbst 1968 bei hohen Phosphorwerten im Mondsee entdeckt. Nach der Umleitung der Abwässer verringerte sich der Bestand und dank der verbesserten Wasserqualität des Mondsees ist heute nur mehr eine kleine Population vorhanden. Die Besonderheit der Burgunderblutalge stellt ihre bevorzugte Einschichtung in die mittlere Seeschicht, das Metalimnion, dar. Sie kann auch bei niedrigen Lichtintensitäten von 0,1 bis 1 Prozent und niederen Temperaturen gut existieren. Im Herbst findet die Durchmischung des Sees statt und beendet damit die Wachstumsperiode von Planktothrix.

Temperaturanstieg und Nährstoffeintrag als Wachstumsbeschleuniger

Martin Dokulil vom ÖAW-Institut für Limnologie am Mondsee hat die Langzeitdaten zusammengeführt und ausgewertet. Der Wissenschafter befürchtet: "Durch den Klimawandel kann bis 2050 eine Erhöhung der Temperatur des Mondsees um etwa 2°C prognostiziert werden. Dies würde die Schichtungsverhältnisse im See verlängern und damit die Wachstumsperiode von Planktothrix begünstigen." Zusätzliche Starkregenereignisse im Einzugsgebiet des Sees, die ebenfalls durch den Klimawandel erwartet werden, würden den Phosphoreintrag wieder erhöhen. Bei längerer Wachstumsperiode und verstärktem Nährstoffeintrag wäre eine neuerliche Eutrophierung und damit stärkeres Auftreten von Planktothrix vorprogrammiert. Die Auswertung des Datenmaterials ist kürzlich in der Zeitschrift Hydrobiologia unter dem Titel "Deep living Planktothrix rubescens modulated by environmental constraints and climate forcing" erschienen.

Modellierung von Wachstumsraten

Das laufende Forschungsprojekt "Risk Analysis of Direct and Indirect Climate effects on deep Austrian Lake Ecosystems" (RADICAL) beschäftigt sich mit der Modellierung von Wachstumsraten von Planktothrix im Mondsee unter sich verändernden Umweltbedingungen. Die höchsten Wachstumsraten wurden in den überdurchschnittlich warmen Monaten Mai 2010 sowie während der Monate Oktober-November 2011 verzeichnet. Durch die Modellierung kann gezeigt werden, dass es vor allem relativ kurzfristige, nur einige Wochen dauernde und graduelle Unterschiede in der physikalischen Stabilität der Wassersäule sind, die sich durch Lichtangebot und Temperatur auf das Wachstum von Planktothrix auswirken.

"Interessanterweise hat die Verfügbarkeit von Nährstoffen auf das Wachstum einen geringeren Einfluss als das Lichtangebot und die Temperatur in der Wassersäule. Eine Erklärung dafür ist, dass durch die Einschichtung von Planktothrix in der Wassersäule im Metalimnion die höhere Nährstoffverfügbarkeit aus dem Tiefenwasserkörper genutzt werden kann", sagt Rainer Kurmayer, der im Projekt des ÖAW-Instituts für Limnologie den Cyanobakterienteil leitet. Die im Projekt RADICAL angestrebte Modellierung soll Vorhersagen der Entwicklung der Planktothrixbiomasse bzw. Toxinkonzentration in Abhängigkeit sich verändernder physikalischer Bedingungen im Mondsee ermöglichen.


Das Projekt RADICAL


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