23.06.2017

Biologische Vielfalt vielfältig beleuchtet

Der Wiener Botaniker Friedrich Ehrendorfer wird 90. Die Kommission für Interdisziplinäre Ökologische Studien der ÖAW lud zu einem Festsymposium und nahm die Forschung des ÖAW-Mitglieds ebenso in den Blick wie die aktuell zunehmende Gefährdung von Biodiversität.

Auszeichnung mit dem „Goldenen Rathausmann“. Bürgermeister Michael Häupl und Friedrich Ehrendorfer © KIÖS, ÖAW
Auszeichnung mit dem „Goldenen Rathausmann“. Bürgermeister Michael Häupl und Friedrich Ehrendorfer © KIÖS, ÖAW

Der Botaniker Friedrich Ehrendorfer ist als Wissenschaftler und Lehrbuchautor weit über Österreich hinaus anerkannt. Bis heute gilt sein wissenschaftliches Interesse den evolutionären Zusammenhängen der vielfältigen Welt der Blütenpflanzen. Zu seinem 90. Geburtstag lud die Kommission für Interdisziplinäre Ökologische Studien (KIÖS) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nun am 21. Juni 2017 zu einem Festsymposium ein, bei dem das Thema der biologischen Vielfalt beleuchtet wurde.

Gefährdete Biodiversität

Expert/innen verschiedenster Forschungseinrichtungen diskutierten das für die Systematik wichtige Verhältnis genetischer und äußerer Merkmale ebenso, wie neueste Erkenntnisse aus Boden- und Ökosystemforschung. Der Titel des Symposiums „Vielfalt unter Druck“ machte aber zugleich deutlich: den Forscher/innen droht ihr Forschungsgegenstand abhanden zu kommen, Biodiversität ist zunehmend gefährdet.

Wissenschaft und Gesellschaft seien deshalb gefordert, so waren sich die Teilnehmenden einig, sich Herausforderungen, wie den Ursachen und Folgen des Klimawandels, unermüdlich zu stellen, damit auch zukünftige Generationen die Leistungen intakter Ökosysteme nutzen können. Ein Appell, dem sich auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl, selbst ausgebildeter Biologe, anschloss, der den Jubilar Friedrich Ehrendorfer mit dem „Goldenen Rathausmann“ ehrte.


Bedeutung von Böden und alpinen Ökosystemen

Das Symposium, das in der Kerner von Marilaun-Reihe der KIÖS stattfand, benannt nach dem österreichischen Botaniker Anton Kerner, widmete sich dem Thema Vielfalt und dessen Bedrohung aus ebenso vielfältigen Perspektiven. So konnte etwa die Bodenforschung in den letzten Jahren belegen, wie Sophie Zechmeister-Boltenstern von der Universität für Bodenkultur schilderte, dass oberirdische und unterirdische Biodiversität einander beeinflussen und der Schutz der Böden daher eine wichtige Voraussetzung für den Schutz der Pflanzen darstellt.

Nina Buchmann von der ETH Zürich wiederum wendete den Blick von den Böden in die Höhe und widmete sich den nachhaltigen „Ökosystemleistungen“, die alpine Ökosysteme für die Gesellschaft erbringen. Lawinenschutz oder auch die Wasserspeicherung sind beispielsweise in Gebirgsregionen eng an die Biodiversität gebunden, wie sie verdeutlichte.

Wissen um die Vielfalt schulen

Die zahlreichen Fortschritte in der Erforschung von Biodiversität sind nicht zuletzt Friedrich Ehrendorfers beständigem Engagement in der Lehre und seinen wegweisenden Arbeiten zur Botanik zu verdanken. Es gelang ihm nicht nur modere Evolutionsforschung mit klassischer Pflanzensystematik und Geobotanik zu verbinden. Selbst mit den modernsten Methoden und grundlegender Artenkenntnis vertraut, wollte er seine Studierenden auch in ökosystemischem  Denken schulen und auf die vielfältigen Vernetzungen der Natur zur Kultur aufmerksam machen.

Dabei eilte Ehrendorfers Fachgebiet, der Pflanzensystematik, zu Beginn seiner Forscherkarriere nicht unbedingt der Ruf einer modernen Naturwissenschaft voraus. Das änderte sich, als mit der Implementierung zytologischer und genetischer Methoden die Ordnung der Pflanzen nicht mehr nur an äußeren Merkmalen festgemacht werden musste. Ein Fulbright-Stipendium 1952 und ein daran anschließender Forschungsaufenthalt in Top-Labors in den USA zeigten dem Botaniker aus Wien zudem neue Wege, um der Artbildung bei Blütenpflanzen nachzugehen. Ehrendorfer erhielt 1965 eine Professur in Graz und wurde fünf Jahre später als Vorstand des Instituts für Botanik und als Direktor des Botanischen Gartens an der Universität Wien berufen. Weitere fünf Jahre darauf, 1975, wurde er zum Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der ÖAW gewählt.

Auch in Ehrendorfers 90stem Lebensjahr ist der Funke der Begeisterung für sein Fach sichtbar – und längst auf mehrere Generationen von Studierenden übergesprungen. Ein Funke, den es weiter zu befeuern gelte, wie die beim Symposium versammelten Wissenschaftler/innen betonten. Bei der Jugend beginne das damit, die Artenkenntnis vermehrt zu schulen. Denn was man kennt und schätzt, sei man auch bereit zu schützen.