31.08.2017

Bestattungsriten der frühen Jungsteinzeit

Sommerserie Young Academics: Warum haben Menschen ihre Angehörigen vor tausenden Jahren unter dem Haus begraben oder ihre Köpfe separat bestattet? Dieser Frage geht der junge syrische Archäologe Mohamad Mustafa mit einem DOC-Stipendium der ÖAW nach.

©ÖAW/Daniel Hinterramskogler
©ÖAW/Daniel Hinterramskogler

Könnte es vielleicht religiöse Gründe gegeben haben, dass Menschen in der vorkeramischen Jungsteinzeit, also vor 10.000 bis 8.000 Jahren, ihre Angehörigen unter dem eigenen Haus begruben, ihre Köpfe abtrennten oder auch zum Teil verzierten? „Es wäre großartig, wenn wir Hinweise finden würden, um erklären zu können, welche Ideen den Bestattungsritualen zugrunde lagen“, sagt Mohamad Mustafa. Der syrische Archäologe promoviert derzeit mit einem DOC-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) an der Universität Wien und forscht am Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW.

Mohamad Mustafa kam 2013 aus dem syrischen Aleppo nach Wien, seit 2015 ist er an der ÖAW. "Ich wollte so schnell wie möglich wieder forschen und habe mich für ein Praktikum an der ÖAW beworben. Ich habe mich mit Barbara Horejs, der Direktorin des Instituts, getroffen und sie hat mich an Bord geholt", erzählt der Archäologe. 

Es wäre großartig, wenn wir Hinweise finden würden, um erklären zu können, welche Ideen den Bestattungsritualen zugrunde lagen.

Um das Phänomen der begrabenen Köpfe und Körper zu klären, untersucht Mustafa nun systematisch die bisher bekannten Bestattungen und versucht Zusammenhänge zu erkennen. Sie alle stammen aus der sogenannten Levante – jenem historischen Gebiet, das sich über das heutige Israel, die Palästinensergebiete, den Libanon und Jordanien bis Syrien erstreckt. „Wir wissen, dass sich die Riten im Laufe der präkeramischen Jungsteinzeit sehr verändert haben. Dennoch ist die Fragekomplex – da aus demselben Zeitraum an manchen Orten  auch andere Bestattungpraktiken, dokumentiert sind.“

Kopf ab, Kopf modellieren, Kopf bemalen

Erste Funde von vor rund 10.000 Jahren zeigen, dass Menschen damals anfingen, die Köpfe ihrer verstorbenen Angehörigen abzutrennen und separat zu begraben. Warum weiß man nicht. „Man hat zuerst den Köper beerdigt, entweder unter dem Haus, in der Wand oder im Garten. Nach einiger Zeit trennte man auch den Kopf ab, der dann an einer anderen Stelle begraben wurde.“

Man hat zuerst den Köper beerdigt. Nach einiger Zeit trennte man den Kopf ab, der dann an einer anderen Stelle begraben wurde.

Diese Bestattungskultur wurde über Jahrhunderte auf unterschiedliche Art weiterentwickelt. So fand man in Jericho zehn Totenschädel aus der mittleren Jungsteinzeit, die unterschiedlich verziert und gestaltet waren. „Zwei davon sind mit einer Lehmmasse präpariert, sodass realistische Gesichtszüge erkennbar sind. Sechs weitere sind zusätzlich bemalt. Die restlichen zwei sind wiederum nur bemalt und nicht modelliert“, sagt Mustafa. Manchmal fand man wiederum einen Körper mit einem fremden Kopf begraben. Auch hier gibt es derzeit keine Hinweise, welchen Zweck eine derartige Bestattung hatte. Genauso wenig kann man sich erklären, warum am Ende der frühen Jungsteinzeit ein Kulturwandel stattfand und die Toten ihren Kopf behalten durften.

"Diese Funde sind in jedem Fall miteinander verbunden. Es ist aber vermutlich viel komplexer, als wir denken", ist Mustafa überzeugt. Das Interesse an der Menschheitsgeschichte ist bereits in seiner Kindheit entflammt. "Mein Vater war Geschichtelehrer in der syrischen Stadt Aleppo. Sein Hauptfach war Zeitgeschichte. Ich bevorzuge es aber einen Schritt weiter in die Vergangenheit zu gehen, um mehr darüber zu erfahren, wie frühe Kulturen lebten.“ Um die Zusammenhänge der Bestattungspraktiken weiter zu erschließen, sollen in den kommenden Jahren auch die historischen Funde aus dem Gebiet Anatoliens untersucht und systematisiert werden. Mustafa ist darauf bereits gespannt. "Forschung zu betreiben, heißt jeden Tag etwas Neues zu lernen. Deshalb liebe ich diesen Beruf", sagt er.

 

Mohamad Mustafa ist Doktorand am Institut für Orientalistik der Universität Wien und forscht am Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW. Der Archäologe erhielt am 9. Juni 2017 ein DOC-Stipendium der ÖAW für sein Projekt mit dem Titel „Burial Practices in the Southern Pre-Pottery Neolithic Levant – A Case Study of Ritual and Beliefs“.

Mit dem Stipendienprogramm DOC fördert die ÖAW hoch qualifizierte Dissertant/innen aus allen Gebieten der Forschung. Die Stipendien, die in kompetitiven Ausschreibungen vergeben werden, ermöglichen Nachwuchswissenschaftler/innen, sich in konzentrierter Weise und mit klarem zeitlichen Rahmen der Erstellung ihrer Dissertation zu widmen.

Stipendien der ÖAW