11.10.2017

Asteroid: Lernen für den Ernstfall

Ein Asteroid in der Größe eines Einfamilienhauses raste am 12. Oktober an der Erde vorbei. Getroffen hat er sie zwar nicht, dennoch haben Wissenschaft und Weltraumbehörden den Flugkörper genau beobachtet. Warum, erklärt ÖAW-Weltraumforscher Wolfgang Baumjohann.

©NASA/JPL-Caltech
©NASA/JPL-Caltech

"Man hat den Asteroiden mit optischen Teleskopen und den großen Radargeräten verfolgt, um seine exakte Flugbahn zu berechnen und seine Eigenschaften so genau wie möglich zu bestimmen", erklärt der Astrophysiker Wolfgang Baumjohann, Direktor des Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz. 

Der Asteroid mit dem Namen 2012 TC4 hat die Erde am 12. Oktober in 44.000 Kilometer Entfernung passiert. "Das ist ziemlich nahe. Genauer ist es nur ein Achtel der Entfernung zwischen Erde und Mond", so Baumjohann.   

Erstmals bemerkt wurde der Asteroid – wie sein Name verrät – im Oktober 2012 von der Panstarrs-Sternwarte auf Maui, Hawaii. Damals passierte er die Erde doppelt so weit entfernt wie heute. Danach verlor man den kleinen Weltraumbrocken aber wieder aus den Augen. Zwar war aufgrund seiner Flugbahn bereits damals klar, dass das Flugobjekt im Oktober dieses Jahres wieder vorbeikommt. Wie nahe, blieb aber bis zuletzt fraglich. Auch die derzeitige Berechnung von 44.000 Kilometer Entfernung ist noch zu ungenau, heißt es.

Nur, wenn man Asteroiden rechtzeitig erkennt und ihre Flugbahn bestimmt, ist es möglich, bei einer tatsächlichen Bedrohung für die Erde entsprechende Schutzmaßnahmen zu setzen.

Aus diesem Grund wollten NASA und ESA die erneute Begegnung mit 2012 TC4 vor allem dazu nutzen, um ihre Geräte zu schärfen und die weltweite Infrastruktur für das Beobachten und Verfolgen von Weltraumkörpern zu testen. "Wichtig ist das für den Ernstfall. Also wenn sich Kometen und Asteroiden der Erde nähern, die um ein Vielfaches größer sind."

Dinosaurier-Apokalypse künftig abwenden

Denn nur, wenn man diese rechtzeitig erkennt und ihre Flugbahn bestimmt, ist es möglich, bei einer tatsächlichen Bedrohung für die Erde entsprechende Schutzmaßnahmen zu setzen, ergänzt der Astronom. Konkret bedeutet das nicht "Sprengung", wie im Hollywoodfilm "Armageddon". Vielmehr würde man versuchen, auf dem Asteroiden zu landen, Triebwerke anzubringen und damit dessen Flugbahn zu verändern, erklärt Baumjohann. "Damit könnte man eine Apokalypse wie bei den Dinosauriern verhindern. Heute wäre das zwar noch nicht möglich. In einigen Jahren aber wird man so weit sein."  

Weltweit arbeiten Teams an der Weiterentwicklung der Technik, um auf einem Asteroiden sicher landen zu können. 

So arbeitet man laut Baumjohann in Deutschland gerade daran, Satelliten in Position zu bringen, die ausschließlich Asteroiden im Auge behalten sollen. „Passieren Asteroiden nämlich die Sonne, sind sie von der Erde aus nicht zu sehen. Das übernehmen dann die Satelliten.“ Außerdem arbeiten Teams weltweit an der Weiterentwicklung der Technik, um auf einem Asteroiden auch sicher landen zu können. „Da ein Asteroid kaum Anziehungskraft hat, muss sich eine Sonde präzise andocken und festkrallen können.“ Wie die Rosetta-Mission zeigte, ist das aber nicht einfach. „Die Sonde ist zweimal getänzelt und dann schief zum Liegen gekommen.“

Kollision mit Riesen-Asteroid unwahrscheinlich

Zwar sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Riesen-Asteroid die Erde trifft, ausgesprochen gering. Es ist aber nicht ausgeschlossen, so der Astrophysiker. "Wir kennen nicht alle Asteroiden, die ja die Überbleibsel von der Entstehung unseres Sonnensystems sind und seither im All umherfliegen. Einige passieren die Erde nur etwa alle 100 Jahre und damals hat man sie noch nicht so genau beobachten können."  

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Riesen-Asteroid die Erde trifft ist zwar ausgesprochen gering. Wir kennen aber nicht alle Asteroiden, die seit der Entstehung des Sonnensystems im All umherfliegen.

Welche Gefahr von den Urgesteinen grundsätzlich ausgeht, zeigte 2013 die Beinah-Kollision mit einem Asteroiden im russischen Tscheljabinsk. Damals explodierte der etwa 10 Kubikmeter kleine Asteroid über der Stadt und verletzte rund 1.200 Menschen. "Seine Druckwelle ließ tausende Fensterscheiben zersplittern. Man kann sich also vorstellen, welche Konsequenzen ein größerer Komet oder Asteroid hätte", erklärt Baumjohann.

 

Wolfgang Baumjohann ist Astrophysiker und seit 2004 Direktor des Instituts für Weltraumforschung der ÖAW. Er lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der Universität Graz. Baumjohann ist Autor bzw. Koautor von mehr als 600 Publikationen. Er ist Mitglied der ÖAW und der Leopoldina und wurde kürzlich auch in die Academia Europaea aufgenommen.

Institut für Weltraumforschung der ÖAW