17.01.2017

Arbeit 4.0

Werden Roboter in Zukunft die Menschen ersetzen? Wie sich die Digitalisierung auf die Arbeitswelt in Europa und darüber hinaus auswirkt, hat die Technikfolgenabschätzung der ÖAW untersucht. Die Forscher/innen wollen damit Gesellschaft und Politik auf die vielfältigen Auswirkungen des digitalen Wandels aufmerksam machen.

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Noch ist es schwer vorstellbar, dass sich Menschen Rechtsschutz bei einem Roboter suchen, die Nachrichten nicht Journalisten, sondern eine Software schreibt, der Brief per Drohne geliefert wird oder das Röntgenbild im Spital statt dem Radiologen ein Algorithmus analysiert. Glaubt man aber Experten wie Michael Nentwich, Direktor des Instituts für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), sind das nur einige unter vielen Berufssparten, die sukzessive digitalisiert und automatisiert werden: „Wir stehen vor einer großen Umwälzung und man kann nicht mehr davon ausgehen, dass durch die Digitalisierung gleich viele oder mehr neue Arbeitsplätze geschaffen werden, als durch sie verloren gehen.“

Wie sehr sich der Arbeitsmarkt in Europa, Österreich oder in den USA tatsächlich verändern wird, ist aus heutiger Sicht noch unklar. Mögliche Antworten lieferten nun die Technikfolgenabschätzer/innen der ÖAW auf rund einhundert Seiten gemeinsam mit Kolleg/innen aus Europa und den USA. „Es war ein besonderes Projekt, da wir 17 Teams von Beginn an koordinieren mussten, um ihre Ergebnisse in einen schlüssigen Gesamtbericht zu gießen“, erklärt Nentwich, der das Projekt leitete. Die Forschungsgruppen haben dabei nicht nur Länder, sondern auch Regionen wie die belgisch-wallonische Region oder Katalonien in Spanien analysiert. Ziel war es, das unterschiedlich schnelle Fortschreiten der Digitalisierung zu erfassen und bestehende politische Debatten und Maßnahmen zu analysieren. „Damit können wir eine Grundlage für eine fundierte politische Debatte in Europa schaffen.“

Österreich sucht Ausbildungsstrategie

In Österreich beschäftigen sich aktuelle Diskurse laut Nentwich unter anderem damit, wie man junge Menschen ausbilden soll, damit sie in einer digitalisierten Arbeitswelt bestehen und erfolgreich sein können. „Bisher konnte das noch niemand wirklich lösen.“ Für den Technikfolgenabschätzer ist das nicht unbedingt überraschend – zumindest wenn man die Meinung einiger Forschenden teilt, die davon ausgehen, dass es unmöglich ist, sich auf derartige Veränderungen einzustellen. „Manche Ökonomen sind der Ansicht, dass mit der Digitalisierung bis zu 50 Prozent der Tätigkeiten wegfallen werden und dementsprechend auch die Arbeitslosigkeit steigt.“ Es geht also nicht unbedingt darum, immer mehr junge Menschen neu auszubilden, weil es so viele neue Jobs nicht geben wird.

Allzu pessimistisch muss man die Entwicklung aber trotzdem nicht sehen, so Nentwich. „Es wird noch einige Jahre, vielleicht sogar 20 oder 30 Jahre dauern, bis wir an jenem Punkt angekommen sind, an dem die Arbeitsprozesse derart digitalisiert sind. Das heißt, es besteht hier die Chance, entsprechend zu steuern, sinnvolle Politiken zu entwickeln und Grenzen zu setzen“, meint der ÖAW-Wissenschaftler.

Deutschland zuversichtlich

Ein Land, das sich laut den Forscher/innen gut auf die Digitalisierung des Arbeitsmarktes eingestellt hat, ist Deutschland. Hier wurden in den vergangenen Jahren schon einige Produktionsbereiche eifrig automatisiert, was den Arbeitsmarkt bereits verändert hat. „Man scheint hier positiver in die Zukunft zu blicken als in anderen Ländern, vermutlich, weil die Veränderung dort absehbarer scheint“, erklärt Projektmitarbeiterin Tanja Sinozic von der ÖAW.

In einigen Bereichen der Arbeitswelt ist die Digitalisierung aber auch heute schon überall spürbar. „Die Kreditwürdigkeit wird von Algorithmen berechnet, darüber hinaus machen viele ihre Bankgeschäfte online, um nur ein Beispiel zu nennen“, so Nentwich.

Crowdworking als neue Lohnarbeit

Aber auch neuartige Formen der Lohnarbeit sind bereits sichtbar wie etwa durch Crowdworking. Dabei handelt es sich um kleine Arbeiten – sogenannte Microjobs, die meist online abgewickelt werden; z.B. schnell Werbeplakate für je einen Euro fotografieren oder neue Rezeptideen für 2,50 Euro einsenden. Auch Putzdienste, Programmier- oder Handwerksjobs sowie Aufträge für Grafikdesign werden ohne Gewerbeschein oder arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen an die „Crowd“ vergeben.

Für den meisten Protest in allen untersuchten Ländern sorgen derzeit allerdings Crowdworkingriesen wie Uber und Airbnb. Sie sind unter anderem die größten Konkurrenten für die herkömmliche Personenbeförderungs- oder Tourismusbranche. „Das hat mich sehr überrascht, denn es gibt sehr viel mehr Jobs, die Gefahr laufen, im digitalen Wettbewerb eingeholt und ausgebotet zu werden“, ergänzt Technikfolgenforscherin Sinozic. Wie man diese neuen Strömungen richtig kanalisiert und wie man Crowdworker schützt und steuerrechtlich erfasst, wird bereits in den meisten Ländern diskutiert.

Forschung berät Parlament

Der Abschlussbericht des Forschungsprojekts wurde Ende letzten Jahres bei der Fachtagung des europäischen Netzwerkes für parlamentarische Technikfolgenabschätzung (EPTA) im österreichischen Parlament veröffentlicht. Nun ist er auch online abrufbar. „Es war besonders wichtig, unsere gemeinsamen Erkenntnisse in so einem öffentlichen Rahmen zu präsentieren und damit den Politikern und Politikerinnen eine fundierte Referenz in die Hand zu geben“, so Projektleiter Nentwich.

 

Sharing Economy, Crowdworking, Industrie 4.0  – knapp ein Jahr lang haben Forscher/innen des Instituts für Technikfolgenabschätzung der ÖAW und von Partnerinstitutionen die Digitalisierung der Arbeitswelt in 16 Ländern und Regionen sowie auf EU-Ebene vergleichend untersucht.

Der Abschlussbericht „Die Zukunft der Arbeit im digitalen Zeitalter“ wurde für das europäische Netzwerk für parlamentarische Technikfolgenabschätzung (EPTA) erstellt und ist online als Open Access zugänglich.

Bericht „The Future of Labour in the Digital Era“

Institut für Technikfolgenabschätzung der ÖAW