03.05.2016

„TROJA“ in Wien: Jahrhunderthochzeit und intermediales Experiment

Im Mittelpunkt des diesjährigen TROJA-Kolloquiums (21.–23. April 2016), einer 2001 von Nicole Schwindt an der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen, begründeten Veranstaltungs- und zugleich Publikationsreihe, stand eine außergewöhnliche Prachthandschrift der Renaissance – das im Kontext der Münchner „Jahrhunderthochzeit“ von 1568 entstandene spektakuläre Chorbuch Mus.Hs. 2129 der Österreichischen Nationalbibliothek.

Orlando di Lasso, Gratia sola Dei, Detail aus Mus.Hs. 2129 (© ÖNB Wien: NB 300.291-C)

Zum Auftakt der federführend von Björn R. Tammen – Leiter der Arbeitsgruppe Musikikonographie des IKM – unter dem Titel Autopsie eines Gesamtkunstwerks organisierten Konferenz fand am 21. April im Theatersaal der ÖAW ein bemerkenswertes intermediales Experiment statt: Die solistisch besetzte Company of Music unter Leitung von Johannes Hiemetsberger führte zunächst Orlando di Lassos knapp zehnminütige Hochzeitsmotette Gratia sola Dei auf und ließ so eine auf die Musik fokussierte, auch im zeitgenössischen Festbericht des Massimo Troiano überlieferte Darbietungs- und zugleich Wahrnehmungssituation anschaulich werden.

Im Anschluss an die thematischen Einführungen der beiden Organisator/innen, die insbesondere die Kategorie des „Gesamtkunstwerks“ problematisierten, wurde in einem zweiten Durchlauf der Musik dank Simultanprojektion der zugehörigen Illustrationen aus der Handschrift Mus.Hs. 2129 auf zwei Leinwänden eine Form der synästhetischen Wahrnehmung von Text, Musik und Bildprogramm erfahrbar gemacht. Den Abschluss der Eröffnung bildete der geschichts- und zugleich medienwissenschaftlich angelegte Abendvortrag der Regensburger Historikerin Harriet Rudolph über die „politischen Rahmenbedingungen und medialen Dimensionen eines Jahrhundertereignisses“ (Untertitel), gefolgt von einem kleinen Empfang im Innenhof des Herbert-Hunger-Hauses.

Neben disziplinenspezifischen Annäherungen stellte die grundsätzliche Frage nach den im intermedialen Verbund möglichen Betrachtungsmodi eines der „Leitmotive“ der drei folgenden Halbtage dar, darunter auch eine intensive Arbeitssitzung am Original in der Musiksammlung der ÖNB.