19.04.2018

Mit Feder und Tinte

Bei der Langen Nacht der Forschung 2018 stellte das IKM im Forschungszelt auf dem Wiener Heldenplatz vier seiner zahlreichen Forschungsprojekte vor. In ihren Präsentationen machten Kunst- und Musikhistoriker/innen deutlich, warum es bei der Interpretation historischer Quellen unerlässlich ist, zwischen den Zeilen zu lesen. Bei einer Mitmachstation konnten Interessierte in die Rolle eines Hofkopisten schlüpfen und sich im Schreiben mit Feder und Tinte üben.

Der Stand des IKM im Forschungszelt auf dem Wiener Heldenplatz (Foto: ÖAW/IKM, 2018)

Im Rahmen der Langen Nacht der Forschung 2018 präsentierte sich unter anderem die Johann Joseph Fux-Forschungsstelle: Von Johann Joseph Fux (ca. 1660–1741), langjähriger Hofkomponist und (Vize-)Hofkapellmeister am Wiener Hof, sind nur ca. 15 Autographe erhalten, der Großteil seiner Kompositionen liegt in zeitgenössischen Abschriften vor. Die für den Wiener Hof entstandenen Abschriften wurden von den für die Hofkapelle arbeitenden professionellen „Berufskopisten“ angefertigt.

Kopieren statt drucken

Fux komponierte seine Musik in einer Partitur. Diese enthält alle strukturell wichtigen Stimmen, nicht jedoch rein verstärkende Stimmen (colla parte). Auch Zusätze wie Dynamik und Besetzung (Tutti, Soli) sind häufig nur pauschal bei einzelnen Systemen vermerkt. Die Aufgabe des Kopisten war es nun, aus der Partitur Einzelstimmen für jede Singstimme und jedes Instrument herzustellen, die dann in der Aufführung verwendet wurden. Der Kopist musste dabei „zwischen den Zeilen“ lesen können, das Notat des Komponisten richtig interpretieren und gegebenenfalls Fehler ausbessern.

Warum wurden die Noten händisch kopiert, statt sie zu drucken? Obwohl der Notendruck bereits um 1500 entwickelt worden war, wurden Noten bis weit ins 19. Jahrhundert hauptsächlich durch händisches Abschreiben vervielfältigt, weil der Druck aufwändig und sehr teuer war. So konnten ausgewählte Werke häufig nur dann gedruckt werden, wenn sich ein Mäzen als Finanzier fand. Wurden Noten hingegen schnell benötigt (sowohl für die Kirche wie auch für das Theater musste es meist sehr rasch und quasi über Nacht gehen), war es einfacher und billiger, die Noten von professionellen Notenschreibern kopieren zu lassen.

Auch in den Klöstern Melk, Göttweig und Klosterneuburg haben sich bedeutende historische Musikbestände erhalten, die derzeit in einem Kooperationsprojekt ausgewertet werden. Die Quellen in den dortigen Musikarchiven wurden häufig von Musikern oder Mönchen geschrieben, deren Schrift jedoch weniger kalligraphisch und standardisiert ist als jene der Hofkopisten. In der Langen Nacht der Forschung 2018 konnten Interessierte nun selbst ausprobieren, welcher Übung es bedarf, Noten schnell aber dennoch gut leserlich, mit Feder und Tinte zu kopieren.

Hofburg und Filmmusik

Neben Projekten zur Barockmusik konnte sich das Publikum auch über den 3D-Quellenspeicher der Wiener Hofburg informieren. In diesem zweijährigen Forschungsprojekt wird ein 3D-Modell der kaiserlichen Residenz zu einer digitalen Datenablage ausgebaut und der virtuelle Rundgang durch das Residenzareal mit historischen Bild- und Schriftquellen hinterlegt. Auf diese Weise wird das Hofburgmodell zu einem interaktiv konzipierten Werkzeug, das diverse Quellenbestände zusammenführt.

Einen mündigen Umgang mit Medien erfordert auch das FWF-Projekt zur Geschichte der Wien-Film in den Jahren 1938–1945, das sich in der Langen Nacht der Forschung 2018 erstmals einem breiten Publikum präsentierte. Mit ihren vornehmlich sentimentalen und melodramatischen Produktionen nahm die Wien-Film eine Sonderstellung in der Filmindustrie im Dritten Reich ein. Die soeben begonnene Analyse auf Basis des reichen Quellenmaterials im Besitz des Filmarchivs Austria lässt neue Erkenntnisse über die Filmproduktion während des Nationalsozialismus erwarten.