13.08.2020

Internationale Tagung „Johannes von Nepomuk“

2021 findet an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften die Tagung „Johannes von Nepomuk: Kult – Künste – Kommunikation“ statt.

J. J. Schoy, Apotheose des heiligen Johannes von Nepomuk, 1724 (© Belvedere, Wien)

Johannes von Nepomuk: Kult – Künste – Kommunikation

Internationale Tagung
Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften
9.–11. Juni 2021

Anlässlich der bevorstehenden Jubiläen der Selig- bzw. Heiligsprechung (1721/1729) des Heiligen Johannes von Nepomuk (~1350–1393) soll im Rahmen einer internationalen Tagung der (bereits vor der offiziellen Kanonisierung einsetzende und europaweit expandierende) Kult um diesen böhmisch-habsburgischen Heiligen diskutiert werden. Der Fokus liegt dabei auf bildlichen, architektonischen, musikalischen und textlichen Manifestationen seiner Verehrung in den Habsburgerländern vom späten 17. bis in das frühe 19. Jahrhundert

Im Zentrum der interdisziplinären Tagung stehen übergreifende Fragestellungen wie Kontextualisierungen und Ausformungen des Kultes, Art der Vermittlung von Vita und Tugenden des Heiligen, kommunikative Funktionen sowie Intentionalität der Künste bzw. Medien.

Ausgehend vom rhetorischen Konzept von delectare, docere und movere und der Rhetorisierung der Künste stellt sich die zentrale Frage nach deren Wirkungspotential: In welchem Verhältnis stehen Bild, Architektur, Musik und Sprache zueinander? Diesbezüglich sind der Nepomuk-Kult und seine groß angelegten Feiern auf Funktion und Integration der Künste zu untersuchen, wobei auch den medienspezifischen Symbolisierungen und Darstellungsformen (Tugenden, vor allem das Schweigen als Negation von Sprache und Ton) nachgegangen werden soll.

Hauptziel der Tagung ist eine interdisziplinäre (methodische) Diskussion unterschiedlicher Herangehensweisen an einen reichen Materialbestand und dessen Auswertung. Deshalb sollten die Beiträge den Fokus weniger auf umfassende Quellendarstellungen als auf gezielte analytische Auswertungen und Kontextualisierungen der jeweiligen Dokumente legen und sich an folgenden vier Themenfeldern orientieren.

I Die Präsenz des Heiligen Johannes von Nepomuk in Text, Bild und Musik

Es ist ein Charakteristikum der Nepomuk-Verehrung, dass „Bilder“ des Heiligen in den unterschiedlichsten Medien, die zum Teil in Austausch, aber auch in Konkurrenz zueinander stehen, auftreten. Hier schließt die zentrale Frage an, in welchen Bildgattungen jene grundlegenden Typenbildungen wurzeln, welche die frühneuzeitliche Ikonografie des Heiligen weitestgehend bestimmen sollten. Auf dieser Basis soll auch verstärkt danach gefragt werden, welche (rasch kanonisch gewordenen) Stationen der Heiligenlegende in allen Medien Berücksichtigung fanden: Entwickelten sich gleichsam überregional gültige, verständliche und weithin akzeptierte Images des Heiligen Johannes von Nepomuk? Da die diskursiven Aspekte des Wirkens des Heiligen hauptsächlich Teil der Textproduktion (Predigten, Biographien, Chroniken etc.) sind, stellt sich hier auch die Frage, in welchem Verhältnis visuelle und Textnarrative zueinander stehen und in welcher Hinsicht sich die appellativen Wirkungspotentiale des Heiligen, die primär auf ein sinnliches Erleben beim Betrachter zielen, in Text, Bild und Musik anschaulich vermitteln ließen.

II Politische und dynastische Repräsentation

Als neuer Landespatron Bayerns, Salzburgs und des Banats sowie als jesuitischer Ordenspatron wurde der Heilige Johannes von Nepomuk im Jahrzehnt der Selig- und Heiligsprechung für unterschiedliche politische und dynastische Zwecke vereinnahmt. Es stellt sich hier die Frage, ob der „neue“ Heilige in Konkurrenz zu prominenten und zum Teil wesentlich älteren Patronen trat und inwiefern etwa die Habsburger und die Wittelsbacher in der Verehrung dieses Heiligen miteinander konkurrierten? Welche Rolle kam den Orden (unter anderem Jesuiten, Zisterzienser), Herrschern und Adeligen in der Verbreitung des Nepomuk-Kultes zu? Unter welchen Gesichtspunkten wurde der politische Konflikt des 14. Jahrhunderts zwischen dem Kleriker Johannes von Nepomuk und König Wenzel in seiner späteren Verehrung thematisiert?

III Der Heilige Johannes von Nepomuk und die Eroberung des Raumes

In der sakralen Besetzung von Stadt- und Landschaftsräumen spielen die Nepomuk-Denkmale eine bedeutende Rolle. In welchem Ausmaß waren hier raumstrategische, über die bloße Nähe zu Brücken hinausgehende Kriterien für die konkrete Platzierung von Heiligendenkmalen maßgeblich? Waren stadtplanerische Überlegungen oder die Überwindung sozialer Schwellenbereiche in den Städten bzw. landschaftsgestaltende Aspekte (point de vue) ähnlich spektakulär inszenierter plastischer Ensembles ausschlaggebend? Oder wurde Nepomuk als ein stiller Wächter der Brücke beziehungsweise im Sinne einer Metapher des Übergangs instrumentalisiert? Unter welchen Aspekten ergaben sich (beabsichtigte?) Konflikte oder Synergien mit anderen sakralen oder profanen Denkmalen? Nicht zuletzt sollte auch die Bedeutung performativer Aspekte diskutiert werden: Waren die Nepomuk-Denkmale Ort und Anlass für kultische Handlungen wie die Abhaltung öffentlicher Prozessionen und Litaneien unter Einbeziehung musikalischer Elemente?

IV Imagebildung und Profil des Heiligen Johannes von Nepomuk

Ein möglicher Grund für die große Beliebtheit des Heiligen Johannes von Nepomuk liegt in seinem multifunktionalen Profil. Er konnte in vielerlei Belangen von Gläubigen angerufen werden. Die wohl weiteste Verbreitung fand er als „Brückenheiliger“. Mit seiner priesterlichen Kleidung erscheint er als Inkarnation eines einfachen Priesters. In seinen Eigenschaften als Bewahrer des Beichtgeheimnisses sowie als Prediger spiegeln sich zudem die Widersprüchlichkeit und der Facettenreichtum seines Images (Schweigen und Reden). Sternenkranz und Zunge als charakteristische Attribute tragen zur einzigartigen Profilierung des Heiligen bei und werfen weitere Fragen auf: Ermöglichten Aspekte seiner Biographie – wie seine bezeugte Marienfrömmigkeit oder sein prominenter Name – eine leichtere Integration in andere Kulte und daher eine weitere Verbreitung seiner Verehrung?

Im Sinne der explizit interdisziplinären Konzeption der Tagung sind nicht nur Beiträge aus den beiden Disziplinen Kunst- und Architekturgeschichte sowie Musikwissenschaft, sondern auch aus verwandten Fachbereichen wie Geschichte, Literatur-, Religions- und Kulturwissenschaften erwünscht. Der Call for Papers richtet sich nachdrücklich auch an qualifizierte Nachwuchswissenschaftler*innen.

Organisation: Ramona Hocker, Herbert Karner, Stefanie Linsboth, Werner Telesko


John of Nepomuk: Cult – Arts – Communication

International Conference
Vienna, Austrian Academy of Sciences
June 9–11, 2021

With the intention of marking the impending anniversaries of the beatification and canonization (respectively in 1721/1729) of St. John of Nepomuk (ca. 1350–1393), the Austrian Academy of Sciences intends to hold an international conference in order to discuss the cult surrounding this particular Bohemian-Habsburg saint. The cult had already started before his official canonization and was to expand steadily throughout Europe. In this regard, the conference wishes to focus the attention on pictorial, architectural, musical and textual manifestations of Nepomuk’s veneration in the Habsburg lands from the late 17th to the early 19th century.

The interdisciplinary conference shall concentrate on overarching questions such as contextualisations and forms of the Nepomuk cult, on the way in which the vita and virtues of the Saint have been conveyed, on communicative functions as well as on the intentionality of the arts and media.

Proceeding from the rhetorical concept of delectare, docere and movere and the rhetoricization of the arts, the central question arises as to their potential impact: How are imagery, architecture, music and language related to each other? Here, the conference aims to examine the Nepomuk cult and its large-scale celebrations in regard to their functions and to the integration of the arts. At the same time, it also intends to investigate media-specific symbolism and forms of representation (virtues, especially silence as a negation of language and sound).

The main objective of the conference is an interdisciplinary (methodological) discussion of different approaches to a wealth of materials and their evaluation. Papers should therefore focus less on comprehensive presentations of sources than on specific, analytical evaluations and contextualisations of the respective documents, and should take their lead from the following four thematic areas:

I The presence of St. John of Nepomuk in text, imagery and music

One of the primary characteristics of Nepomuk veneration is that “images” of the saint appear in a wide variety of media, some of which interact yet also compete with each other. Here, the central question arises: what were the basic pictorial genres which typified and would largely determine the Early Modern Period’s iconography of the saint? Proceeding from this basis, the conference intends to examine in greater depth the ways in which the key locations of the saint’s legend (which had rapidly become canonical) were portrayed in each of the forms of media available at the time: did they lead to the development of supra-regionally valid, comprehensible and widely accepted images of St. John of Nepomuk? Since the discursive aspects of the impact of the Saint mainly reside in the production of texts (sermons, biographies and chronicles, etc.), the question arises here as to the interrelationship between visual and text narratives and to the extent to which the Saint’s appellative impact potential – which primarily followed the intention of creating a sensual experience for the viewer – could be conveyed to best effect in text, imagery and music.

II Political and dynastic representation

In the decade marking his beatification and canonization, and as the new patron saint of Bavaria, Salzburg and the Banat, as well as a patron saint of the Jesuit Order, St. John of Nepomuk was appropriated in the interests of furthering various political and dynastic causes. The question here is whether the “new” saint competed with prominent, and in some cases much older, patron saints and to what extent the Habsburgs and the Wittelsbachers competed with each other in the veneration of this saint. What role did the Orders (the Jesuits and Cistercians, among others) or the rulers and nobles play in the dissemination of the Nepomuk cult? In what way was the political conflict of the 14th century a feature of the conflict between St. John of Nepomuk, a priest, and Wenceslaus, a king, in the former’s subsequent veneration?

III St. John of Nepomuk and the conquest of space

Monuments to Nepomuk play an important role in the religious occupancy of urban and landscape space. To what extent were spatially strategic criteria (other than the mere proximity to bridges) key elements in the specific placement of religious monuments? Were considerations in regard to urban planning or the overcoming of social threshold areas in the cities or landscaping aspects (point de vue) of similar, spectacularly staged sculptural ensembles the decisive factor? Or was Nepomuk instrumentalized as a silent guardian of the bridge or in the sense of a metaphor of transition? Which aspects led to (intentional?) conflicts or synergies with other sacred or profane monuments? Last but not least, the conference also intends to discuss the importance of performative aspects: did the Nepomuk monuments offer a place and occasion for cultic actions, such as the holding of public processions and litanies involving musical elements?

IV Image creation and profile of St. John of Nepomuk

One possible reason for the considerable popularity of St. John von Nepomuk lies in his multifunctional profile. Believers could call on his intercession in many matters. Probably his most widely disseminated image was that of “Saint of Bridges”. In his priestly attire, he appears as the incarnation of a simple priest. Furthermore, the inconsistency and multifaceted nature of his image (silence and speech) are reflected in his qualities as the keeper of the priest-penitent privilege and as a preacher. His characteristic attributes of a halo of five stars and his tongue contribute to the unique profiling of the saint and raise further questions: did aspects of his biography – such as his testified devotion to Mary or his prominent reputation – enable him to be more easily integrated into other cults and thereby further spread his veneration?

In the sense of the explicitly interdisciplinary approach of the conference, the Austrian Academy of Sciences welcomes papers not only from practitioners of the disciplines of art history, the history of architecture, and musicology, but also from related disciplines such as literature, historical, religious and cultural sciences. This call for papers is also emphatically addressed to qualified young scientists.

Organisation team: Ramona Hocker, Herbert Karner, Stefanie Linsboth, Werner Telesko