08.06.2018

Eine gemeinsame europäische Sprache?

Um 1700 ist in der Selbstdarstellung europäischer Höfe vor allem nördlich der Alpen ein formaler und inhaltlicher Wandel festzustellen. Im Bereich der Deckenmalerei fällt auf, dass die Decke nun oft nicht mehr in einzelne Felder unterteilt wird, sondern einzelne große Gemälde den Raum beherrschen. Eine freie Monumentalität, große Maßstäbe und ein neuer Illusionismus werden wichtig. Unter dem Titel "Eine gemeinsame europäische Sprache? Deckenmalerei und Raumkünste an den europäischen Höfen um 1700" thematisiert eine internationale Tagung höfische Ausstattungen vor dem Hintergrund politischer, sozialer und kultureller Veränderungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts.

Galeriegebäude Hannover-Herrenhausen, Decke im Fühlingszimmer (© Bildarchiv Foto Marburg / CbDD / C. Stein / T. Scheidt)

Das Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland betrachtet Wand- und Deckenmalerei als ein Medium der bildlichen Repräsentation. Im höfischen Kontext diente sie den Landesherren ebenso wie Architektur oder Raumausstattung zur Selbstdarstellung gegenüber Standesgenossen. Um 1700 setzte sich die Kunst der Augentäuschung als hohe Kunstfertigkeit der barocken Deckenmalerei durch. Das Deckenbild erlangte Autonomie und als Medium folgte es einer eigenen Logik. Wand und Decke können nun auch einheitlich gestaltet werden. Dieser Wandel ist kein rein formaler, sondern auch ein inhaltlicher: Verherrlichungen und Personifikationen erfolgen im nördlichen Europa nun auf eine zuvor nicht praktizierte Weise und sind oft nicht mehr allgemein dynastisch ausgerichtet, sondern auf bestimmte Personen hin orientiert.

Unabhängig davon darf Deckenmalerei im europäischen Kontext weder als ausschließliche Fresko- bzw. Seccomalerei missverstanden, noch isoliert betrachtet werden. Die Entscheidung für Ölmalerei war lange Zeit nicht nur eine Frage der Qualität oder der Verfügbarkeit entsprechend ausgebildeter Künstler, sondern auch eine Frage der Ästhetik. Zahlreiche Deckengemälde und noch mehr Wandmalereien wurden vor allem in West-, Mittel- und Nordeuropa auf Leinwand gemalt in Decken bzw. Wände eingepasst. Der Stuck spielte dabei immer eine Rolle, scheint aber auch bei Fresken in Räumen höherrangiger Nutzung bevorzugt angebracht worden zu sein.

Mögliche Gründe für den Wandel der höfischen Inszenierung

Die Tagung verknüpft den beschriebenen Wandel mit den politischen, sozialen und kulturellen Änderungen in Europa um 1700. Dieser Wandel erfolgte zeitgleich mit einer neuen Machtstellung vieler Monarchen und ihrer Staaten. Die Herrscher strebten nach der Anerkennung ihrer neuen Stellung. Zu nennen sind zum einen die zahlreichen Territorien und neuen Fürsten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, die ihre neu gewonnenen Souveränitätsrechte durchsetzen wollten, aber auch Königreiche wie England und Schweden sowie der Hof der Oranier in den Niederlanden und später auch in England. Die Konfession spielte in der Malerei im Gegensatz zur Politik eine marginale Rolle. Trotz antikatholischer Grundausrichtung verschwanden betont protestantische Motive; Muster, die bislang als katholisch verstanden worden waren, konnten allgemein übernommen werden. So bildete sich in weiten Teilen Europas eine supranationale überkonfessionelle Repräsentationsform des Adels und Hochadels heraus.

Offenbar ist der Aufstieg von Dynastien und neuen Mächten ursächlich für den konstatierten Wandel. Zu nennen sind hier der Aufstieg der Bourbonen und des Hauses Savoyen sowie parallel dazu der Abstieg der spanischen Habsburger. Davon unabhängig ging der künstlerische Einfluss der Niederlande in Nordeuropa zurück und wurde je nach politischem Lager durch einen französischen oder einen italienischen ersetzt. Es handelte sich um einen kulturellen Angleichungsprozess, der fast ganz Europa erfasste. Dabei setzten Italien und Frankreich die Maßstäbe; den Habsburgern gelang es nicht, eine künstlerische Dominanz zu erlangen.

Zur Tagung

Neben allgemeinen Überblicksdarstellungen diskutiert die Tagung Beispiele aus Dänemark, Deutschland, England, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Schweden, Spanien und Tschechien. So wird erstmals der Versuch einer europaweiten Gegenüberstellung unternommen. Im Mittelpunkt stehen ausschließlich Landesherren und ihre Höfe. Unter Landesherren werden alle Souveräne Europas und Herrscher über reichsunmittelbare Territorien im Heiligen Römischen Reich verstanden. Souverän waren auch die Generalstaaten und die Republik Venedig.

Zahlreiche Künstler waren um 1700 tätig und werden im Rahmen der Tagung thematisiert. Zu nennen sind u.a. Jacques Foucquet, Luca Giordano, Daniel Marot, Sebastiano Ricci, Giuseppe Roli, Jerzy Eleuter Szymonowicz-Siemiginowski, Carpoforo Tencalla, Matthäus Terwesten oder Antonio Verrio. Von Interesse ist schließlich auch der Aspekt des Kulturtransfers und Künstlerimports durch geistliche und weltliche Auftraggeber. Die Deckenmalerei wird eingebettet in die generelle Entwicklung der Raumkünste.

Die internationale Tagung veranstalten das Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland (CbDD), die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), das Deutsche Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marburg (DDK) und die Bayerische Akademie der Wissenschaften in Kooperation mit der Landeshauptstadt Hannover, Herrenhäuser Gärten, dem Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen (IKM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Research Group for Baroque Ceiling Painting in Central Europe (BCPCE) von 13.–15. September 2018 im Galeriegebäude Hannover Herrenhausen.

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Program (engl)