Zeitungen während der Diktaturen 1934-1938-1945

Österreich war in der Ersten Republik – mit Rückschlägen und geografischen Unterschieden – auf dem Weg zu einem Pressewesen, wie sie in den demokratischen Staaten Mittel- und Nordeuropas üblich war: mit einer auflagenstarken, marktorientierten Massenpresse und mit einer relativ starken politischen, zum Teil parteipolitisch durchaus autonomen Presse, die eine Blütezeit des Journalismus in Österreich bedeutet hat. Diese Entwicklung kam in der Diktatur des Ständestaats nicht nur zum Stillstand, sondern die demokratiepolitisch entscheidende Orientierungs- und Kontrollfunktion der Medien wurde außer Kraft gesetzt: Zeitungen, die nicht in das verengte ideologische Spektrum des Regimes passten, wurden entweder verboten oder ihrer redaktionellen Unabhängigkeit beraubt. Innerhalb weniger Jahre kam es zu einer Reduktion der österreichischen Tageszeitungen um rund 20%.

Der mitunter scheinbar reibungslose Übergang von einer Diktatur in die andere könnte kaum augenfälliger gemacht werden als durch die Ausgabe des Außferner Boten vom 12. März 1938. Auf Seite 1 rief die Redaktion die Leserschaft noch „zur Entscheidung“ für ein „freies, deutsches Österreich“ aufrief, wie es Bundeskanzler Kurt Schuschnigg im Text der von ihm geplanten Volksabstimmung forderte, während auf Seite 6 darüber informiert wurde, wo es die offizielle Hakenkreuznadel zu kaufen gab. Zum selben Zeitpunkt wurden von den Nationalsozialisten anderenorts in Österreich Zeitungen eingestellt, Journalisten entlassen, in die Flucht und in den Tod getrieben. 

Vom nationalsozialistischen Kahlschlag im Pressewesen waren zuerst einerseits Zeitungen aus jenen Verlagen betroffen, die schon vor 1938 primäres Objekt der Diffamierungskampagnen der Nazis waren (wie die Stunde oder der Wiener Tag), sowie andererseits die letzten ehemals sozialdemokratischen Parteizeitungen, die im Ständestaat aufgrund ihrer hohen Reichweite unter Aufsicht regimetreuer Verwalter fortgeführt worden waren. Ab dem Spätsommer 1938 erstreckten sich die Verbote auf die vor dem „Anschluss“ von den katholischen Pressvereinen herausgegebenen Blätter und die liberalen „Flaggschiffe“ Neue Freie Presse und Neues Wiener Journal, die am 1. Februar 1939 mit dem längst zum nationalsozialistischen Eher-Konzern gehörigen Neuen Wiener Tagblatt vereinigt wurden. Insgesamt fiel die Zahl der Zeitungen im ersten Jahr der NS-Herrschaft in Österreich um fast 40%, die Gesamtauflage der österreichischen Tageszeitungen ging vom März 1938 bis zum September 1939 um ein Drittel von rund 1,750.000 auf 1,170.000 Exemplare zurück. Der danach zu beobachtende kontinuierliche Rückgang steigerte sich 1944 zu einer neuerlichen dramatischen, aber eher unfreiwilligen und durch kriegsbedingte Rationalisierungsmaßnahmen hervorgerufenen Reduktion.

Diskontinuität und Kontinuität lagen in der Entwicklung der österreichischen Tagespresse in der NS-Zeit eng nebeneinander. So konnte Fritz Hausjell zeigen, dass fast 41 Prozent der Journalistinnen und Journalisten aller österreichischen Tageszeitungen der ersten drei Nachkriegsjahre über Berufserfahrung unter dem nationalsozialistischen Regime und/oder im Ständestaat verfügten; lediglich die Hälfte dieses Prozentsatzes knüpfte an eine einschlägige berufliche Tätigkeit an, die vor 1934 bzw. 1938 lag. Nur knapp über 5 Prozent waren erfahrene Journalisten aus dem Exil…

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