Der Zeitungsmarkt in der Habsburgermonarchie 1848-1918

Ausdifferenzierungsprozesse, Professionalisierung und Kommerzialisierung kennzeichnen die Zeitungsentwicklung in der Habsburgermonarchie. Der Nationalökonom Karl Bücher hatte schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts darauf hingewiesen, dass die Trennung von publizistischen und ökonomischen Funktionen eng mit dem geänderten Funktionsverständnis der Presse im Zuge des "Strukturwandels der Öffentlichkeit" zusammenhängt: Indem die Zeitungen "aus bloßen Nachrichtenpublikationsanstalten auch Träger und Leiter der öffentlichen Meinung" wurden, hatte dies "für die innere Organisation der Zeitungsunternehmung die Folge, dass sich zwischen die Nachrichtensammlung und die Nachrichtenpublikation ein neues Glied einschob: die Redaktion". Für die Zeitungsverleger bedeutete dies, dass sie vom "Verkäufer neuer Nachrichten zu einem Händler mit öffentlicher Meinung" wurden. Während die einen mit der Zeitung "Anzeigenraum als Ware" produzierten, "die durch einen redaktionellen Teil absetzbar wird", übertrugen die anderen "das Risiko seiner Unternehmung zum Teil auf eine Parteiorganisation, eine Interessentengruppe, eine Regierung".

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Der Zeitungsmarkt in der Ersten Republik 1918-1934

"Wien ohne Zeitung. Das heißt: Wien ohne Wien." Mit diesen Worten beginnt Anton Kuh seinen Bericht im Prager Tagblatt vom 20. Januar 1918 über die Auswirkungen eines Druckerstreiks. Und er setzt fort: "Denn die Zeitung ist Wien, Wien eine Zeitung. [...] Die Letter ist die Welt."

Pointierter könnte man die Bedeutung der Tageszeitung im Mediensystem vor der Verbreitung audiovisueller Medien nicht beschreiben: Während der Ersten Republik erschienen in Wien täglich durchschnittlich 25-30 (!) Tageszeitungen, einige sogar mehrmals täglich. In den Landeshauptstädten gab es jeweils 3-5 regionale Tageszeitungen am Kiosk zu kaufen. Ähnlich der heutigen Situation am Fernsehsektor, wo über Satellit und Kabel ein Vielzahl von Kanälen angeboten wird, stand dem Leser in der Ersten Republik ein breites Spektrum an Tageszeitungen zur Verfügung - im Bereich der politischen Kommunikation stellten sie das zentrale Massenmedium dar. Die Gesamtauflage der österreichischen Tagespresse reichte an die 2 Millionen heran. Erst die gewaltsamen Eingriffe der beiden Diktaturen des "Ständestaats" und des Nationalsozialismus, verbunden mit zahlreichen Erscheinungsverboten und der Verfolgung missliebiger Journalisten, veränderten diese Strukturen nachhaltig.

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Zeitungen während der Diktaturen 1934-1938-1945

Österreich war in der Ersten Republik – mit Rückschlägen und geografischen Unterschieden – auf dem Weg zu einem Pressewesen, wie sie in den demokratischen Staaten Mittel- und Nordeuropas üblich war: mit einer auflagenstarken, marktorientierten Massenpresse und mit einer relativ starken politischen, zum Teil parteipolitisch durchaus autonomen Presse, die eine Blütezeit des Journalismus in Österreich bedeutet hat. Diese Entwicklung kam in der Diktatur des Ständestaats nicht nur zum Stillstand, sondern die demokratiepolitisch entscheidende Orientierungs- und Kontrollfunktion der Medien wurde außer Kraft gesetzt: Zeitungen, die nicht in das verengte ideologische Spektrum des Regimes passten, wurden entweder verboten oder ihrer redaktionellen Unabhängigkeit beraubt. Innerhalb weniger Jahre kam es zu einer Reduktion der österreichischen Tageszeitungen um rund 20%.

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