(FWF-Projekt P 31939-G25: 01.02.2019 – 31.07.2024)

Die "Allgemeine Akzentlehre" (Prosodia catholica), das Meisterwerk des griechischen Grammatikers Ailios Herodianos (2. Jh. n. Chr.), das er dem römischen Kaiser Marcus Aurelius (reg. 161–180) gewidmet hatte, war eine systematische Darstellung der Regeln der griechischen Prosodie, die eine Fülle gelehrten Materials enthielt. Das Werk wurde in der Spätantike und in Byzanz häufig verwendet, ist aber schließlich nur in kurzen Epitomen und zahlreichen späteren Zitaten erhalten geblieben. Die Entdeckung einiger Blätter aus einer griechischen Handschrift des 10. Jh., die Herbert Hunger vor 60 Jahren bei der Katalogisierung der griechischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek in einem Palimpsest-Codex gemacht hatte, hat weltweit großes Interesse erweckt. Um die Wende des 12./13. Jh. wurde die Herodian-Handschrift getilgt und das wertvolle Pergament wurde für einen neuen Text, eine Lebensgeschichte des Kirchenvaters Johannes Chrysostomos, wiederverwendet. Mit Hilfe der damals zur Verfügung stehenden technischen Mittel gelang es Herbert Hunger, einige Teile des Palimpsests zu entziffern. Die Untersuchungen wurden im 21. Jh. mit Hilfe der digitalen Aufnahmetechnik und moderner Methoden zur Wiedergewinnung getilgter Texte an der ÖAW (Byzanzforschung) fortgesetzt und seit 2001 in mehreren, von Otto Kresten geleiteten Projekten weitergeführt. Mit der Bearbeitung der Wiener Herodian-Fragmente wurde ein internationales Team ­von Spezialisten betraut: Klaus Alpers † (Hamburg), Jana Grusková (Wien/Bratislava), Nigel Wilson (Oxford), Herbert Bannert (Wien), Oliver Primavesi (München). Das Team hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte in der Entzifferung der sehr schwer lesbaren Handschrift erreicht.  

Das neue FWF-Projekt setzt sich zum Ziel, das Wiener Herodian-Palimpsest weiter zu entziffern, kritisch zu edieren, systematisch zu erschließen, um durch eine umfassende, kritische und kommentierte Textedition diese einzigartige antike Quelle der weiteren Forschung wie auch allen anderen interessierten Lesern zur Verfügung zu stellen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Rekonstruktion und der Erschließung neuer Fragmente der antiken Literatur gewidmet. Die modernsten Methoden der digitalen Wiedergewinnung getilgter Schriften machen es möglich, die originale Herodian-Handschrift besser zu sehen.

Projektteam


Projektpartner


  • Klaus Alpers † (Universität Hamburg)
  • Nigel Wilson (University of Oxford, Lincoln College)
  • Herbert Bannert (Universität Wien)
  • Oliver Primavesi (Ludwig-Maximilians-Universität München)

Publikationen


  • K. Alpers (†) – J. Grusková – N. Wilson – H. Bannert – O. Primavesi: Aus den Untersuchungen zum Wiener Palimpsest des Grammatikers Herodian I: Prolegomena. Graecolatina et Orientalia 41–42 (2023) (in Druck)
  • K. Alpers (†) – J. Grusková – N. Wilson – H. Bannert – O. Primavesi: Aus den Untersuchungen zum Wiener Palimpsest des Grammatikers Herodian II: Hdn. Vind. fr. Ia (fol. 6r), Zeilen 1–13: De prosodia catholica 5, Nomina auf -ιος. Graecolatina et Orientalia 41–42 (2023) (in Druck)
  • K. Alpers (†) – J. Grusková – N. Wilson – H. Bannert – O. Primavesi: Aus den Untersuchungen zum Wiener Palimpsest des Grammatikers Herodian III: Hdn. Vind., fr. Ia (fol. 6r), Z. 13–45 + fr. Ib (fol. 6v), Z. 1–35, De prosodia catholica 5, Nomina auf -οος(in Vorbereitung)
  • K. Alpers (†) – J. Grusková – N. Wilson – H. Bannert – O. Primavesi: Aus den Untersuchungen zum Wiener Palimpsest des Grammatikers Herodian IV: Hdn. Vind., fr. Ib (fol. 6v), Z. 36–45 + fr. Ic (fol. 3r), Z. 1–16, De prosodia catholica 5, Nomina auf -υος, -υιος (in Vorbereitung)
  • J. Grusková, Further Steps in Revealing, Editing and Analysing Important Ancient Greek and Byzantine Texts Hidden in Palimpsests. Graecolatina et Orientalia 33–34 (2012) 69–82.
  • J. Grusková, Untersuchungen zu den griechischen Palimpsesten der Österreichischen Nationalbibliothek. Codices Historici, Codices Philosophici et Philologici, Codices Iuridici (Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 401). Wien 2010 (bes. 31-41).
  • O. Primavesi – K. Alpers, Empedokles im Wiener Herodian-Palimpsest. Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 156 (2006) 27-37.