31.01.2022

Stellungnahme der Kommission/ÖAW betreffend das Problem der Megakonstellationen von Erdsatelliten

Für die Wissenschaft, aber auch im Sinne des kulturellen Erbes der gesamten Menschheit ist es wichtig, dass der gestirnte Nachthimmel möglichst ungestört erhalten bleibt.

Astronomy Picture of the Day der NASA vom 1. Juni, 2021: Der Orion-Nebel mit durch Satelliten verursachten Lichtstreifen im Vordergrund. Image Credits: Amir H. Abolfath, Courtesy of NASA

Für die Wissenschaft, aber auch im Sinne des kulturellen Erbes der gesamten Menschheit ist es wichtig, dass der gestirnte Nachthimmel möglichst ungestört erhalten bleibt. Bis vor wenigen Jahren war das im Grossen und Ganzen der Fall.

Ohne Vorwarnung begann ein grosses amerikanisches Privatunternehmen im Jahre 2019, hunderte von Satelliten in einer niederen Erdumlaufbahn auszusetzen. Mittlerweile gibt es in dieser Region bereits mehr als 1500 Satelliten. Erklärtes Langzeitziel dieser Firma ist eine Konstellation von ca. 40.000 Satelliten zwecks fugenloser Abdeckung der Erde mit Breitbandinternet.

Weitere Unternehmen, sowie die Raumfahrtagenturen verschiedener Nationen haben ähnliche Pläne. Extrapolation zeigt, dass in den nächsten Jahren mit einer Population von etwa 100.000 Satelliten im erdnahen Weltraum zu rechnen ist.

Während die Vorteile des globalen Internet anzuerkennen sind, haben diese Satellitenkonstellationen auch erhebliche Nachteile:

  • Während der Abend- und der Morgendämmerung sind die Satelliten mit freiem Auge sichtbar. Am Himmel gibt es dann wesentlich mehr Satelliten als Sterne.
  • Astronomische Beobachtungen werden erschwert bzw. verunmöglicht. Für grosse optische Teleskope und insbesondere für Radioteleskope besteht die Gefahr, dass nicht nur wissenschaftliche Beobachtungen gestört und verfälscht werden, sondern dass auch Detektoren und Empfänger zerstört werden. Dies ist nicht nur für die Wissenschaft abträglich, es gefährdet auch die erheblichen Investitionen, die derzeit in grosse Projekte getätigt werden (ESO Extremely Large Telescope, Vera Rubin Telescope).
  • Den gegenteiligen Versicherungen der Betreiber dieser Satellitenkonstellationen zum Trotz ist es so gut wie sicher, weil statistisch zu erwarten, dass es zu Kollisionen zwischen Satelliten kommen wird. Solche Kollisionen erzeugen Weltraumschrott, der seinerseits wieder zu Kollisionen führt. Die gesamte Erde ist dann mit einer Hülle von Weltraumschrott umgeben (Kessler Effekt).
  • Es besteht weiters die Gefahr, dass der Kessler Effekt absichtlich hervorgerufen wird, wenn terroristische Organisationen oder rogue states dem “Westen” Schaden zufügen wollen.

Die ÖAW fordert die österreichische Bundesregierung, und insbesondere die Ministerien für Bildung und Wissenschaft, für Technologie und Innovation, sowie das Aussenministerium dazu auf, sich des Problems anzunehmen. Unter anderem ist die Frage zu stellen, wie es dazu kommen kann, dass in einer so wesentlichen Frage, welche die gesamte Weltbevölkerung in der einen oder anderen Weise betrifft, vorweg keinerlei Information erfolgt ist.

Auf dem Niveau der Vereinten Nationen wird die Angelegenheit im Komitee für die friedliche Nutzung des Weltraums (UN-COPUOS) behandelt. Die Internationale Astronomische Union (IAU) hat die Initiative ergriffen und hat versucht, innerhalb der Vereinten Nationen zu einer Abmachung zu kommen, welche für die Wissenschaft akzeptable ist, ohne die zweifellos positiven Ziele einer globalen Kommunikation zu verunmöglichen.

Es ist unbedingt nötig, diese Entwicklung durch internationale Vereinbarungen in den Griff zu bekommen. Eine unkontrollierte Freigabe des erdnahen Weltraums für Megakonstellationen von Satelliten, betrieben durch die Privatindustrie oder durch die führenden Weltraumnationen würde auf vielen Gebieten eine Beeinträchtigung der Interessen Österreichs bedeuten.

Es wird dazu aufgefordert, die Initiative der Internationalen Astronomischen Union bei COPUOS bestmöglich zu unterstützen.