Die Herzogin mit der Staffelei - Natalie von Oldenburg

Sie war die Nichte Puschkins und machte auf einen deutschen Herzog solchen Eindruck, dass er ihretwegen mit seiner Familie brach. Der Geburtstag der Malerin, Schriftstellerin, Unternehmerin und Wohltäterin Natalie, geborene Vogel Freiin von Friesenhof jährt sich am 8. April zum 170. Mal. Ihre Spuren finden sich im Wiener Bezirk Liesing, wo sie bis 1918 Schloss Erlaa besaß, wie auch im slowakischen Broďany, wo sie schließlich starb.

Natalie von Oldenburg wurde am 8. April 1854 in Wien als Natalie Vogel Freiin von Friesenhof geboren. Sie war das einzige Kind aus der zweiten Ehe des österreichischen Diplomaten Viktor Gustav Vogel Freiherr von Friesenhof (1807–1889) mit der russischen Adeligen Alexandra Nikolajewna Gontscharowa (1811–1891), einer Schwägerin des Dichters Alexander Sergejewitsch Puschkin. Natalie (auch Nathalie) wuchs abwechselnd in Wien, wo ihr Vater das Haus Wipplinger Straße 26 besaß (heute Sitz des Slowakischen Instituts), und im damals oberungarischen Brogyán (nach 1920 Broďany, ab 1948 Brodzany) auf, wo sich das väterliche Schloss samt Gut befand.

Natalie Vogel von Friesenhof heiratete am 7. November 1876 Anton Günther Friedrich Elimar Herzog von Oldenburg in der evangelischen Kirche von Nyitraszerdahely (heute Nitrianska Streda), gefolgt von einer orthodoxen Zeremonie am 9. November jenes Jahres in der Griechenkirche zur Heiligen Dreifaltigkeit in Wien. Die Mutter des Herzogs, Cäcilie (1807–1844), war eine Tochter von Gustav IV. Adolph, König von Schweden, sein Vater Großherzog Paul Friedrich August von Oldenburg (1783–1853). Aus der Ehe von Natalie und Elimar von Oldenburg, die außergewöhnlich harmonisch verlief, gingen zwei Kinder hervor: Alexandrine Gustave Friederike Gräfin von Welsburg (1877–1901) und Gustav Gregor Alexander Graf von Welsburg (1878–1927).

Belle of Vienna Society

Von der ansprechenden Erscheinung Natalies berichtete unter anderem Thankmar Freiherr von Münchhausen, von 1937 bis 1939 Leiter des Goethe-Hauses in Paris: Er beschrieb sie als „groß und gut gebaut, ihre schönen veilchen-blauen Augen wurden von dunklen Wimpern überschattet, sie hatte dunkles Haar und dunkle Haut.“ Noch 1905 bezeichnete sie die „New York Times“ in einem Artikel über den Prozess ihres Sohnes als „Belle of Vienna Society“. Das attraktive Äußere Natalies war mit Geist und Talent verbunden. Die Erziehung und Bildung der kleinen Tacha wurde besonders vom Vater überwacht. Schon als Siebenjährige korrespondierte sie mit ihm auf Französisch, bei der Familie lebten französische und englische Gouvernanten und Hauslehrerinnen. Darüber hinaus beherrschte Natalie neben ihrer Muttersprache Deutsch auch Slowakisch, lernte Latein, spielte Klavier, sang, schrieb Gedichte und malte. Die Persönlichkeit der jungen Frau und ihre Anmut, die sie noch im hohen Alter behielt, bezauberten auch Herzog Elimar von Oldenburg so sehr, dass er eine morganatische Ehe mit ihr einging. Er trennte sich infolge der als nicht standesgemäß empfundenen Verbindung von seiner herzoglichen Familie und wurde enterbt.

1879 kaufte er Schloss Erlaa nahe Wien (heute Wien-Liesing), wo sich die junge Familie zusammen mit Natalies Eltern niederließ. Auch Elimar war künstlerisch tätig, er komponierte Lieder und verfasste Gedichte und Lustspiele wie „Ein guter Mensch“ (1878), „Hans im Glück“ (1881) oder „Der arme Hugo“ (1881).

Wohltäterin und Unternehmerin

Um 1880 errichteten die Oldenburgs auf dem Gelände von Schloss Erlaa ein Krankenhaus mit etwa 15 Betten, in dem arme Menschen aus der Umgebung, unter ihnen Verwandte der späteren sozialdemokratischen Politikerin Adelheid Popp, aber auch Kulturschaffende aus Wien, wie der Schriftsteller Fritz Lemmermayer oder der Komponist und Pianist Anton Rückauf, behandelt wurden. Als Arzt war hier Adolf Pirnitzer tätig. Dem Prediger und Lehrer der herzoglichen Kinder Paul Gennrich (1865–1946) zufolge gaben die Oldenburgs jährlich etwa ein Zehntel ihres Gesamteinkommens für karitative Zwecke aus.

Nach Elimars Tod errichtete Natalie 1897 ein ähnliches Spital in Broďany, wo sie mittellosen Alten und Menschen mit Behinderung Behandlung und Unterkunft bot. Sie beteiligte sich auch persönlich an der Pflege von Patienten in ihrem Krankenhaus und in der Gemeinde mit selbst zubereiteten homöopathischen Arzneien.

Viele Jahre hindurch unterstützte sie Künstler, von denen manche auf ihrem Gut nicht nur die Sommerfrische, sondern auch ihren Lebensabend verbrachten. Darüber hinaus errichtete sie für ihre Dörfler drei Selbsthilfegenossenschaften und eine Art Kulturzentrum (im Volksmund Casino genannt), in dem sie auf Slowakisch Vorträge hielt. Hier fanden auch Konzerte und Theatervorstellungen statt. Um die Abwanderung der Bevölkerung zu verhindern, gründete sie im Dorf eine Stärkefabrik und unterhielt eine Ziegelei, eine Brauerei und eine Sennerei.

Dichterin und Hundenärrin

Von Jugend an bis ins hohe Alter verfasste Herzogin Natalie Gedichte – das erste, „An den Nachtwächter“, schon als Dreizehnjährige. Während ihrer Zeit auf Schloss Erlaa waren sowohl sie als auch ihr Gatte im Wiener Literaturkreis Iduna tätig, der eine gleichnamige Zeitschrift herausgab. Darin erschienen Gedichte beider, jene von Natalie unter dem Pseudonym Norbert von Odesloe. Ihre Lyrik, die Züge der Dekadenzdichtung aufweist, spiegelt neben gesellschaftlichen Problemen ihre Beziehung zur Natur, zu verschiedenen Orten, die sie auf Reisen besuchte, und zu ihrem slowakischen Dorf ebenso wider wie die tiefe Zuneigung zu ihren Leonberger-Hunden. Im Übrigen war sie nach Kaiserin Elisabeth eine der ersten Züchterinnen dieser Rasse in Österreich-Ungarn. 1903 erschien ihr Werk „Gedichte“, 1905 folgten „Gedichte und Aphorismen“. Texte von ihr wurden mehrfach vertont.

„Tohu-Bohu“ und ein prominenter Lehrer

Von allen Talenten Natalies von Oldenburg war jenes für die Malerei am stärksten ausgeprägt. Den ersten Malunterricht erhielt sie zu Hause, nach 1870 übernahm ihre Ausbildung Franz von Lenbach, der „Münchner Malerfürst“, der unter anderem durch seine Porträts der Kaiser Wilhelm I. und Franz Joseph I. berühmt wurde. Lenbach hielt sich bis etwa 1876 wegen seiner Arbeit für großbürgerliche Familien zeitweise in Wien auf und hatte dort 1872–1873 auch sein Atelier.

Natalie malte impulsiv und leidenschaftlich, war aber auch kritisch gegenüber ihren Bildern. Sie malte en plein air ebenso wie in ihrem Atelier im Westflügel von Schloss Erlaa, in Broďany oder auf Reisen. So berichtete Herzog Elimar dem Dramatiker Eduard von Bauernfeld 1888 aus Venedig: „Da es einstweilen zu kalt zum draußen Malen ist, hat meine Frau ein recht hübsches, großes Atelier, mit prachtvollem Licht gemiethet, ... und malt einen hiesigen Bettler, einen fabelhaft malerischen Kerl ...“

Schon das Familienalbum „Tohu-Bohu“ der Friesenhofs aus den Jahren 1874 bis 1875 zeugt vom Talent der Baronesse, sie zierte es mit Zeichnungen des Familienschlosses, des Glashauses und der Dorfkirche von Broďany sowie mit mehreren Aquarellen. In dieser Zeit beschäftigte sie sich auch mit dem Kopieren von Gemälden. 1875 zeigte die 21-Jährige in einer Ausstellung in Wiesbaden ihr Bild „Wacht am Rhein“ nach Lorenz Clasen. Damit folgte sie dem Rat Lenbachs, der sich in seiner Jugend ebenfalls dem Kopieren gewidmet hatte. Mit dem Studium alter Meister befasste sich die Herzogin besonders intensiv nach der Ansiedlung der Familie auf Schloss Erlaa. Dazu besuchte sie die Kaiserlich-königliche Bilder-Galerie, die sich zu jener Zeit noch im Schloss Belvedere befand. Nach der Eröffnung des Kunsthistorischen Museums 1891 arbeitete sie auch dort. Belegt sind Kopien von Rubens („Ein alter Mann“, 1882–83), Rembrandt („Er selbst“, 1882–83), van Dyck („Christus am Kreuz“, 1882, und „Heilige Familie“) sowie Annibale Carracci („Christus und die Samariterin“, 1891–93).

Königsdisziplin Porträt

In den 1880er-Jahren begann sie neben Landschaften und Tieren auch Menschen zu malen. Auf Anraten Lenbachs übte sie um 1885 das Aktzeichnen, wofür sie zusammen mit einer jungen Malerin ein Atelier in Wien mietete. Sie versuchte sich außerdem im Malen nach Fotografien, ebenfalls nach Lenbachs Vorbild.

Entstanden sind vor allem Ölgemälde auf Leinwand oder Holz, seltener Aquarelle und Zeichnungen. Natalie malte ganz im Sinne des Realismus des 19. Jahrhunderts, konnte aber auch das Licht geschickt einsetzen. Bei ihren Porträts, etwa des geliebten Vaters, des Gatten Elimar, des Erziehers Gennrich, aber ebenso von Dorfbewohnern, versuchte sie die Individualität des jeweiligen Modells, dessen edle Züge und Schönheit herauszustreichen. Sehr lebhaft wirken auch die Bilder ihrer Leonberger-Hunde, die über einen fast menschlichen Ausdruck verfügen: In ihren Augen sind Schalkhaftigkeit, Aufgewecktheit oder auch Trauer zu lesen. Beim Porträtieren benutzte sie meist seitliche Beleuchtung und eine eingeschränkte Farbpalette.

Ein Maiglöckchenkranz für den Professor

Die Herzogin schätzte Lenbach hoch, in ihren Briefen redete sie ihn mit „Herr Profeßor“ an, tauschte sich mit ihm über die Malerei aus und suchte seinen Rat. So erwähnte sie im April 1883 interessante Modelle in Rom, die sie dort mit ihm porträtierte, zugleich schrieb sie, dass sie nur zwei Porträts, „eines von meinem Papa, und ein anderes von einer alten Frau, welches ich mich in der Manier der alten Frauenköpfe von Rubens zu malen bemühte …“, angefertigt hatte.

Mehrmals lud sie Lenbach nach Schloss Erlaa, aber auch nach Ischl ein (so 1885), wo sich die Oldenburgs regelmäßig die Villa Boschan für ihre Sommerfrische mieteten: „Ich höre, daß Ihre Freunde Wertheimstein hier sind ... Ein Zimmer hätten wir hier zu Ihrer Verfügung, obgleich unsere Villa nicht groß ist! – sie ist aber geradezu reizend, mit einem Thurm, von dem aus man eine herrliche Aussicht genießt ...“.

Mit Lenbach korrespondierte auch der Herzog, meist um zu erfahren, ob und wann das Ehepaar ihn in München aufsuchen konnte, um ihm die Bilder der Herzogin zu zeigen. In München pflegte Natalie unter der Führung von Lenbach und später auch anderer anerkannter Künstler zu malen. Die Oldenburgs trafen den Maler wiederholt auch auf Reisen, etwa im Februar und dann im Mai 1887 in Rom. Natalie schrieb damals an Eduard von Bauernfeld: „Lenbach soll morgen mit uns essen und ich werde dann Ihren Gruß und Auftrag ausrichten; doch habe ich wenig Hoffnung, daß er im Mai nach Wien kommt, denn nach dem, was er uns gesagt, baut er sich ein Haus in München …“

Als Lenbach starb, trauerte sie um ihren Professor tief. Schon am 8. Mai 1904, zwei Tage nach seinem Tod, schrieb sie an Lenbachs zweite Frau Charlotte (Lolo): „Ich sende heute – leider recht verspätet! – einen Maiglöckchenkranz aus meinem Walde für das Grab meines theueren Meisters. Die Kranzschleife dazu wird direkt aus Wien abgeschickt, damit der Kranz nicht unterwegs dort aufgehalten wird […] Mit Ihrem Mann gehen für mich viele schöne Erinnerungen zu Grabe, aus den besten Zeiten meines Lebens! Und daß ich damals so viel mit ihm verkehren durfte, mit dem interessantesten Menschen, der je meinen Lebensweg gekreuzt hat –, das rechne ich zu dem Wertvollsten, was mir Gott auf meiner langen und zuletzt so dunklen Erdenreise bescheert hat. Bei ihm ging mir zum ersten Mal das rechte, volle Verständniß, für die Kunst auf.“ Zwei Jahre später wollte sie Lenbachs Witwe ein Porträt von Elimar abkaufen, das jener angefangen, aber nicht vollendet hatte. Im Februar 1913 bat sie die Witwe um den Empfang im Lenbachhaus, „mit dem [...] mich doppelt liebe und wehmütige Empfindungen knüpfen.“

Trotz zahlreicher Schicksalsschläge lebte und malte Natalie von Oldenburg leidenschaftlich bis zu ihrem Tod. Sie war nicht gezwungen, ihre Bilder zu verkaufen. Wenn sie es tat, dann verfolgte sie damit wohltätige Zwecke. So unterstützte sie 1906 mit der Versteigerung einer ihrer Landschaften den Verein Säuglingsmilchverteilung des Wiener Kinderarztes Siegfried Weiß, ein anderes Mal ihr Nathalienstift für Kranke und Behinderte in Broďany.

Sie starb am 9. Jänner 1937 in Broďany. Zusammen mit ihren Familienangehörigen ruht sie in der Krypta der evangelischen Grabkapelle oberhalb des Dorfes.


Literatur: The New York Times, 8. 1. 1905; Album Tohu Bohu, 1874–1875 (Slovenské národné múzeum (SNM) – Múzeum Červený Kameň, Hrad Červený Kameň, Častá, Slowakei); P. Gennrich, Erinnerungen aus meinem Leben, in: Jahrbuch der Synodalkommission und des Vereins für ostpreußische Kirchengeschichte, 1938, S. 33–35, 39, 47f., 63f.; M. Bildhausen, Lebenslauf von Thankmar von Münchhausen von 1893–1920 (Manuskript in Besitz von Sebastian Graf von Hatzfeldt, Deutschland); Christian Marchart, Bau- und Besitzgeschichte der Herrschaft Erlaa. Wien, 2010 (Manuskript, Schloss Alterlaa); J. Judinyová, Natália Oldenburgová – zabudnutá perla Ponitria, 2013, 2. Aufl. 2022; J. Judinyová, Dožinkový veniec pre kňažnú. Šľachtické rodiny Friesenhofovcov a Oldenburgovcov na Slovensku a umelecká bohéma; Elimar, Oldenburg, Herzog. Brief an Eduard von Bauernfeld, Venedig, den 12. 3. 1886 (Wienbibliothek im Rathaus, Handschriften, I.N. 12602); Natalie von Oldenburg an Eduard von Bauernfeld, Sorrento, den 27. 2. 1887 (ebd., I.N. 12608); Natalie von Oldenburg an Eduard von Bauernfeld, Rom, den 13.3.1887 (ebd. I.N. 12605); Briefe von Natalie und Elimar von Oldenburg an Franz Lenbach (Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Schenkung aus dem Nachlass der Erben Franz von Lenbachs), Briefe von Gustav Freiherrn von Friesenhof an die Tochter Natalie (Institut russkoj literatury Rossijskoj akademii nauk, Fonds Nr. 409, Sankt-Peterburg, Russische Föderation).

(Jana Judinyová)

Wir danken der Autorin für die kostenlose Bereitstellung des Bildmaterials.