Eugen Steinach, umstrittener Hormonforscher seiner Zeit – zum 75. Todestag

Der am 27. Jänner 1861 in Hohenems, Vorarlberg, geborene und aus einer Ärztefamilie stammende Eugen Steinach erreichte es im Laufe seines Lebens, dass sein Name einem medizinischen Eingriff Pate stehen sollte. Die Methode des „Steinachens“ versprach den Patientinnen und Patienten zu ewiger Jugend zu verhelfen. Das Ableben des kontroversiellen Arztes und Wissenschaftlers jährt sich am 14. Mai zum 75sten Mal.

Ausbildung und erste Karriereschritte

Eugen Steinach wuchs als Sohn des Arztes Simon Steinach (1834-1904) und der Flora Steinach, geb. Rosenthal (1838-1909), in einer jüdischen Familie in Hohenems auf. Während sich auch weitere Vorfahren väterlicherseits der angewandten Medizin gewidmet hatten, entstammte seine Mutter einer wohlhabenden Fabrikanten- und Kaufmannsfamilie, die deutliche Spuren in der Vorarlberger Gemeinde hinterlassen sollte. So befindet sich heute etwa das Jüdische Museum in der für die Familie Rosenthal erbauten und nach Steinachs Cousine Klara benannten Villa-Heimann-Rosenthal. Ein entsprechender Ausbildungsverlauf Steinachs lag daher auf der Hand, begann zunächst mit der Matura am Gymnasium in Feldkirch und setzte sich mit einem Studium der Chemie und Zoologie im schweizerischen Genf fort.

Nach einem Jahr wechselte Steinach jedoch 1880 Fachrichtung und Standort und widmete sich an den Universitäten Wien und Innsbruck dem Medizinstudium, welches er 1886 mit der Promotion zum Dr. med. in der Tiroler Landeshauptstadt abschloss. Dort blieb er auch zwei Jahre als Assistent am Physiologischen Institut, ehe er nach Prag wechselte und sich 1890 für Physiologie an der deutschen Universität habilitierte. 1895 folgte die außerordentliche Professur, 1906 wurde er zum ordentlichen Professor berufen. Drei Jahre zuvor gründete er in Prag ein erstmals an einer deutschsprachigen Universität geführtes Laboratorium für allgemeine und vergleichende Physiologie, welchem er bis 1912 vorstand. Bereits 1909 erhielt er erstmals den Ignaz-Lieben-Preis der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien für seine Forschungen zur Summation von Nervenreizen.

Bekanntheit in Wien

Der endgültige Durchbruch sollte Steinach aber erst später in Wien gelingen. Steinach, der schon im Februar 1891 zum evangelischen Glauben konvertiert war, schloss im April 1915 eine Zivilehe mit der Advokatenwitwe Antonie Thumim, die ebenfalls aus einem jüdischen Elternhaus stammte. Nach seiner Rückkehr aus Prag 1912 gründete er innerhalb der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien die physiologische Abteilung an der Biologischen Versuchsanstalt und hatte ab 1919 auch die Professur für Physiologie an der Universität inne. In dieser Zeit forschte er zu Sexualhormonen, insbesondere zur „Pubertätsdrüse von Säugetieren“, wofür er 1918 erneut mit dem Ignaz-Lieben-Preis ausgezeichnet wurde.

Einen Namen machte er sich schließlich mit seiner Arbeit zur Verjüngung des Menschen, wofür seine bis dahin durchgeführte experimentelle Forschung die Grundlage bildete. Der Prozess des „Steinachens“ beinhaltete die Transplantation der Hoden, respektive der Ovarien, sowie die Unterbindung des Samenleiters bzw. die Röntgenbestrahlung der Eierstöcke und ist spätestens seit 1922 ein Begriff. Ein zu Beginn prognostizierter Erfolg dieser Methoden äußerte sich beispielsweise durch Berichte über gesteigerte Arbeitskraft, verbessertes Haarwachstum sowie wiedererlangte Libido. Außerdem habe die Steinach-Behandlung Patientinnen von sogenannten Frauenleiden befreit. Während zunächst häufig über erfolgreiche Auswirkungen berichtet wurde, schwächte sich die Euphorie jedoch bald mit der Erkenntnis ab, dass beispielsweise die Fortpflanzungsfähigkeit der behandelten Personen keineswegs eine Verbesserung erfuhr. Auch bekannte Persönlichkeiten, wie etwa der an Gaumenkrebs erkrankte Sigmund Freud, gehörten zu jenen, denen die Steinach-Methode nicht zur Linderung ihrer unterschiedlichen Beschwerden verhalf. Steinach setzte, ungeachtet des letztendlichen Misserfolgs, seine Forschungen fort und arbeitete im Auftrag des ab 1927 unter dem Namen Schering-Kahlbaum AG firmierenden Berliner Pharmaunternehmens an der Entwicklung von Hormonpräparaten. Das im Jahr darauf unter dem Namen „Progynon“ verkaufte Medikament zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden kam später auch bei Geschlechtsumwandlungen begleitend zum Einsatz. Steinachs Forschungen können ebenso als wichtiger Beitrag zur Entwicklung der Anti-Baby-Pille angesehen werden.

Demütigende letzte Jahre

Eugen Steinach, der bis 1938 in nur 18 Jahren elf Mal für den Nobelpreis (Medizin bzw. Physiologie) nominiert wurde, verfasste im Laufe seiner Karriere über 60 Bücher und Aufsätze. Nach einer längeren Italienreise anlässlich mehrerer Vorträge und zum Zwecke der Erholung, war es ihm und seiner Ehefrau Antonie nicht mehr möglich, in das mittlerweile nationalsozialistische Österreich zurückzukehren. Zuflucht fanden sie zunächst in der Schweiz; eine Ausreise in die USA blieb dem betagten Ehepaar jedoch verwehrt und mochte wohl auch dazu beigetragen haben, dass sich Antonie im September 1938 in Zürich das Leben nahm.

Steinachs Lebensabend im schweizerischen Exil verlief zudem äußert trist und finanziell unsicher, da ihm seine Lebensrente von Seiten der Schering AG kurz zuvor entzogen worden war. Seine Habseligkeiten konnte er ebenso wenig zurückerlangen, da sowohl das Labor als auch die Wohnung samt Bibliothek und Forschungsunterlagen in Wien den Plünderungsaktionen der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen waren. So beschäftigte er sich mit der Behandlungsforschung zur Sterilisierung von Nutztieren, was ihm nicht zuletzt auch das Wohlwollen schweizerischer Behörden sicherte. Eugen Steinach verstarb am 14. Mai 1944 im 84. Lebensjahr in Territet bei Montreux.


Werke (Auswahl): Willkürliche Umwandlung von Säugetier-Männchen in Tiere mit ausgeprägt weiblichen Geschlechtscharakteren und weiblicher Psyche, in: Pflüger᾽s Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere 144, 1912; Umstimmung der Homosexualität durch Austausch der Pubertätsdrüsen, in: Münchener medizinische Wochenschrift 65, 1918 (gem. mit R. Lichtenstern); Verjüngung durch experimentelle Neubelebung der alternden Pubertätsdrüse, 1920; Biological Methods against the Process of Old Age, in: Medical Journal and Record 125, 1927; Beiträge zur Analyse der Sexualhormonwirkungen, in: Wiener klinische Wochenschrift 49, 1936 (gem. mit H. Kun und O. Peczenik); Transformation of male sex Hormones into a Substance with the action of a female Hormone, in: The Lancet 230, 1937 (gem. mit H. Kun); Sex and Life. Forty years of biological and medical experiments, 1940 (gem. mit J. Loebel).


Literatur (Auswahl): H. Stoff, Ewige Jugend. Konzepte der Verjüngung vom späten 19. Jahrhundert bis ins Dritte Reich, 2004, S. 30-188; R. W. Soukop, Eugen Steinach 1861-1944, in: Die wissenschaftliche Welt von gestern, ed. R. W. Soukup, 2004, S. 143-154 (mit Bild); Heimat Diaspora, ed. H. Loewy, 2008, s. Reg.; W. Matt, Steinach, Eugen, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, 13, 2008; H. Stoff, Steinach, Eugen, in: Neue Deutsche Biographie 25, 2013; J. Sachslehner, Spinner Schelme Scharlatane, 2016, S. 127-145; Universitätsarchiv Wien, Wiener Stadt- und Landesarchiv, beide Wien; Jüdisches Museum Hohenems, Vorarlberg; Universitätsarchiv Innsbruck, Tirol.

Hohenems Genealogie (Zugriff: 9. 4. 2019);
GEDENKBUCH für die Opfer des Nationalsozialismus an der ÖAW (Zugriff: 9. 4. 2019);
Universitätsbibliothek Medizinische Universität Wien (Zugriff: 9. 4. 2019).

(Raphael Einetter)