Bernhards Schauspiel „Heldenplatz“ war eine Auftragsarbeit: Für das 100-Jahr-Jubiläum des 1888 eröffneten „neuen“ Wiener Burgtheaters hatte Burgtheaterdirektor Claus Peymann Bernhard um die Abfassung eines Stückes gebeten. Aber ins Jahr 1988 fiel auch das Gedenken an den 50 Jahre zuvor vollzogenen „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich. Bernhards Drama handelt von den Hinterbliebenen des ehemals vertriebenen Mathematikprofessors Josef Schuster, der, nach Wien zurückgekehrt, gejagt vom wiederauflebenden Nationalismus und Antisemitismus, im März 1988 Selbstmord begeht.

Durch eine bis heute nicht gänzlich aufgeklärte Indiskretion waren Teile des Textes noch vor der Uraufführung an die Presse gelangt. Bernhards Rundumschlag gegen den österreichischen Faschismus, Katholizismus, Sozialismus führte zum größten Kulturskandal der Zweiten Republik. Bei der Uraufführung wurde der Autor ebenso umjubelt wie ausgebuht.

Dieses wirkungsgeschichtlich wohl spektakulärste Drama Bernhards wird nun in seiner Entstehungsgeschichte dokumentiert. Ausgehend von der 1988 in der Bibliothek Suhrkamp (BS 997) erschienenen Erstausgabe des Stückes sieht dieses Editionsvorhaben die Wiedergabe sämtlicher im Nachlass überlieferter Textstufen samt Transkription vor. Dadurch können vor allem Bernhards stilistische Verfahren nachgezeichnet werden. Nach dem Muster der Edition von „Wittgensteins Neffe“ (wn.ace.oeaw.ac.at) wird der Text durch Kommentare und Register erschlossen. Zur überaus breiten Rezeptionsgeschichte werden die wichtigsten Quellen (Presseberichte, Rezensionen, Sekundärliteratur) angeführt. Ziel des Projektes ist es, Bernhards sprachlich entwickelte Provokativkraft und deren öffentliche Folgen vor einem zeithistorischen Hintergrund darzustellen.