Mi, 15.03.2023 15:00 | Kategorie Blog

Dr. Irmgard Griss

Warum Richterin einer der schönsten Berufe ist und eine verständliche Sprache essentiell, warum Volksbegehren aktuell wenig bewegen, warum sie für das Amt der Bundespräsidentin kandidierte und reine Wahltaktik politische Reformen und Zukunftschancen blockieren: Irmgard Griss im Gespräch | Text: Philipp Gartner

Irmgard Griss, Ex-OGH-Präsidentin und Abgeordnete, diskutierte mit Geförderten und Univ.-Prof. Dr. Christiane Wendehorst, Präsidentin der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, über Beruf und Berufung, Politik und Verantwortung.

Als ehemalige Höchstrichterin und Nationalratsabgeordnete gewährte Dr. Irmgard Griss den Geförderten der Österreichischen Studienstiftung im Rahmen eines 90-minütigen Gesprächs einzigartige Einblicke in ihren Karriereweg – der ursrpünglich ganz anders geplant war: Eigentlich wollte Dr. Griss immer Lehrerin werden, die Aufnahmeprüfung für eine entsprechende Ausbildung glückte ihr mangels Gesangskenntnissen jedoch nicht. Somit musste sie eine andere Laufbahn einschlagen. Nach einem erfolgreichem Studium der Rechtswissenschaften war sie zunächst in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig und wechselte anschließend in die Justiz, wo sie als Richterin ihren Weg bis zum Obersten Gerichtshof erklomm und betont, dass "Richterin für mich zu einem der schönsten Berufe zählt". Als besonders spannend empfand sie ihre Zeit im Fachsenat für Immaterialgüterrecht, da sie dort in der Geburtsstunde des Internets mit Rechtsproblemen konfrontiert war, mit welchen sich noch niemand zuvor in dieser Art auseinandergesetzt hatte.

Recht auf verständliche Sprache

Irmgard Griss ist es vor allem ein Anliegen, dass Gerichtsurteile und Gesetze in lesbarer Sprache verfasst werden. Die Stammfassung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches sei etwa ein Beispiel für ein gut verständliches aber auch sprachlich schönes Gesetz. Heutzutage habe der Gesetzgeber diesbezüglich niedrigere Ansprüche. So stammen etwa bestimmte Ministerialentwürfe nicht mehr aus der Feder eines Beamten, sondern werden in privaten Anwaltskanzleien verfasst. Außerhalb des Justizministeriums fehle es einfach an „Knowhow“. Zur Lösung dieses Problems wünscht sich Dr. Griss eine eigene parlamentarische Legistikabteilung und eine Verlängerung des Begutachtungsverfahrens von Gesetzesentwürfen.

Politische Verantwortung nicht nur auf dem Papier

Auch von ihrer Zeit als Nationalratsabgeordnete erzählte Dr. Griss den Geförderten. Als ihren größten Erfolg aus dieser Zeit nannte sie die Einführung eines Verhaltenskodex für Abgeordnete. Dass der direkten Demokratie in Österreich nur eine geringe Rolle zukommt, empfindet sie als bedauerlich. Die Bevölkerung solle auf Gemeindeebene bei bestimmten Angelegenheiten direkt mitbestimmen können. Auf Bundesebene spricht sich Dr. Griss für die Einführung von Bürgerräten aus, dessen Mitglieder nach dem Zufallsprinzip ausgelost werden sollen. Durch die Ausarbeitung von Empfehlungen sollen diese das Handeln der Bundesregierung beeinflussen.

Als weitere zentrale Herausforderung wurde eine etwaige Reform der Verwaltung besprochen. Die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kabinetten müsse beschränkt werden und Stellen nach einem fairen, transparenten Verfahren vergeben werden. Weiters wünscht sich Dr. Griss eine rechtliche Verantwortlichkeit von Regierungsmitgliedern für amtliche Handlungen, da diese auch an einen gewissen Sorgfaltsmaßstab gebunden sein sollen.

Herzlichen Dank an dieser Stelle an Dr. Irmgard Griss, dass sie sich die Zeit für das Gespräch genommen hat und auch genauestens auf alle Fragen eingegangen ist. Wir alle konnten sicherlich viel Neues und Inspirierendes zu aktuellen (demokratie-)politischen Themen aus dieser Diskussion mitnehmen.

Philipp Gartner studiert Rechtswissenchaften in Wien und ist dem ersten Jahrgang Mitglied der Österreichischen Studienstiftung | Fotos: Angela Balder, Österreichische Studienstiftung

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