Di, 11.10.2022 15:00 | Kategorie News

Botschafter Dr. Johannes Eigner

Was sind die größten Überraschungen im diplomatischen Berufsalltag? Wie verändert sich der Job als Botschafter, wenn sich die Politik ändert? Und warum sind Netzwerke so wichtig? Darüber diskutierte Botschafter Johannes Eigner mit acht Geförderten der Studienstiftung, erzählte über seine Jahre als Botschafter in Russland und über - nicht immer planbare - Wege in der und in die Diplomatie.

Den gebürtigen Kärntner führte der Weg eher zufällig in den diplomatischen Dienst – und in eine Karriere mit vielen Stationen. Von 1987 bis 1995 war er österreichischer Diplomat in Russland, später stellvertretender Leiter der OSZE-Abteilung des Außenministeriums in Wien. Es folgten spannende Jahre als Botschafter in Serbien und Russland. Derzeit leitet er im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten die Abteilung III.6 – Südosteuropa und EU-Erweiterung; Twinning und TAIEX und ist Sonderbeauftragter für den Westbalkan.

Wege in die Diplomatie?

Johannes Eigner empfiehlt die Ausbildung an der Diplomatischen Akademie Wien sowie entsprechende Verwaltungspraktika, auch im Ausland, zu absolvieren: „Die Chancen bereits während des Studiums einen Einstieg zu finden, sind aktuell sehr gut. Dabei sollte man weder ‚bequeme‘ Städte, wie Paris oder London, noch besonders schwierige, wie Damaskus oder Tripolis, für den Einstieg wählen. Länder wie Indien sind sicher ein guter Tipp. Denn hier hat die diplomatische Arbeit noch ein entsprechendes Gewicht und es gibt für die Botschaften mehr von der ursprünglichen Aufgabe zu tun, als etwa in Westeuropa.“

Beruf mit vielen Facetten

Als Diplomat erlebt man immer wieder auch überraschende und herausfordernde Situationen, wie beispielsweise ungeplante Sonderkriseneinsätze, weiß Johannes Eigner aus langjähriger Erfahrung. “Ein solcher Einsatz erfolgte 2004/2005 im Zusammenhang mit der Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean. Da haben sich hauptsächlich die Botschaften darum gekümmert, Kontakt zu Vermissten und Angehörigen herzustellen und Rückholungen zu organisieren. Es ist unglaublich, was es für das Außenministerium bedeutet, einen ungeplanten Krisenstab rund um die Uhr im Einsatz zu halten!“

Dichtes Netzwerk als beste Basis

„Gute und enge Verbindungen zum Empfangsland und die damit einhergehende Informationsbeschaffung- und aufbereitung sind in der Diplomatie essentiell“, erläutert Johannes Eigner. Besonders wichtig sei es dabei, Beziehungen auch zu Journalist/innen, Kultureinrichtungen, und Vertreter/innen der Zivilgesellschaft zu pflegen. „In Russland beispielsweise war der Kontakt zur Menschenrechtsorganisation Memorial - die auch den Friedensnobelpreis erhalten hat und verboten wurde - wesentlich. Solche Kontakte sind in Ländern mit fragwürdigem demokratischen Verständnis besonders wichtig und müssen natürlich entsprechend vorsichtig passieren.”

Diplomatische Beziehungen im Wandel

„Die jeweiligen Netzwerke und Zugänge im Empfangsland hängen immer auch von politischen Gegebenheiten ab“, erklärt Johannes Eigner am Beispiel Russland. “Während vor dem Zerfall der Sowjetunion private Begegnungen kaum möglich waren, gab es nach 1991 viele offene Türen und lockere Gespräche. Während meiner Zeit in Moskau ab 2017 war es ganz selbstverständlich, dass man sich mit Diplomat/innen aus dem russischen Außenministerium auch mal auf ein Bier getroffen hat. Heute berichten meine Kolleg/innen, dass sie kaum mehr Zugang zu den offiziellen russischen Stellen haben. Regimekritische Personen scheuen sich wieder, sich mit westlichen Diplomat/innen zu treffen - es ist eine deutliche Rückbewegung zu sowjetischen Verhältnissen feststellbar.”

Botschafter Dr. Johannes Eigner

Zeitraum: Dienstag, 11. Oktober 2022, 15:00–16:30 Uhr
Ort: Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften (Mitgliederbereich), Dr. Ignaz Seipel-Platz 1, 1010 Wien