Wiener Studien - Rezension

Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition

Rezensionen der Wiener Studien 113 (2000)


S. C. Todd, The Shape of the Athenian Law. Oxford: Clarendon Press 1993 (1995 Paperback). 433 S. ISBN 0-19-815023-7

In den wenigen Jahren seit seinem Erscheinen ist T.s Buch bereits ein Standardwerk geworden, wie man an seiner umfangreichen Verwendung in A. Scafuros 'Forensic Stage' (Cambridge 1997) ersehen kann. Die Ausführungen zum griechischen Recht waren ursprünglich als Einleitung zu einem historischen Lysiaskommentar gedacht; die Case-Studies sind daher diesem Autor entnommen. Das Buch ist für den "general reader" gedacht, der sich über Details des griechischen Rechts und der Gesellschaft informieren will. Aber auch Spezialisten auf den Gebieten der griechischen Literatur und Geschichte, vergleichende Rechtshistoriker und Anthropologen sind angesprochen; daher auch die nicht immer angenehme 'Anglicization' des Griechischen.
Im einleitenden Methodenkapitel werden die Quellen besprochen (mit Konzentration auf Inschriften und Redner), sowie einige allgemeine Charakteristika des griechischen Rechtes, das allgemein als "Feld für Amateure" bezeichnet werden kann: Primat des Procedere vor dem materiellen Recht (die Bedeutung der Prozeduren wird durch die Voranstellung dieses Komplexes unterstrichen: 75ff.); "Adversary system" (beruhend auf der Auseinandersetzung von Kontrahenten); prinzipielle Verschiedenheit vom modernen Recht. Es werden die verschiedenen Formen des Procedere vorgestellt, die verschiedenen Phasen bis hin zur (vielfach äußerst grausamen) Exekution der Urteile, sowie allgemeinere Gedanken zur 'litigiousness' der Athener (147ff.) und zur 'politicization' des attischen Rechtes angestellt.
In dem Abschnitt über das materielle Recht (165ff.) wird der Status des Bürgers gegenüber den anderen Bewohnern (Metöken, Sklaven) hervorgehoben. Im Kapitel über "Personal Relations" (201ff.) geht es u. a. um die Rechte der Frau, die diversen Formen der Eheschließung (u. a. das Epiklerat), Testament und Adoption, Besitz, Kauf und Verkauf (232ff.). Ein zentrales Kapitel ("Relations within the Polis") betrifft die Vergehen gegenüber Bürgern (Mord, Ehebruch, Sachbeschädigung etc.) und die teilweise exzessiven Strafen. Nur ganz knapp wird das Staatsrecht abgehandelt (285ff.: die staatlichen Institutionen, die Gerichte) und abschließend die Beziehungen zu fremden Bürgern und Staaten (316ff.). Ein ausführliches Lit.-Verzeichnis, ein sehr praktisches Stichwortverzeichnis sowie zwei Indices (Sachen und Stellen) runden das Werk ab.
Abschließend nur eine Bemerkung zu den Quellen: T. vermeidet es, das heiße Eisen des griechischen Substrates der fabulae palliatae anzugehen und nützt auch angesichts knapper Quellenlage z. B. zur Vergewaltigung und zur Epikleros-Thematik die hier zahlreicher fließenden Quellen nicht aus (vgl. dazu jetzt Scafuros oben zitiertes Buch).
Walter Stockert
 

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