Wiener Studien - Rezension

Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition

Rezensionen der Wiener Studien 113 (2000)


Dorothea Fröhder, Die dichterische Form der Homerischen Hymnen, untersucht am Typus der mittelgroßen Preislieder. Zürich-New York: Olms 1994. 390 S. (Spudasmata. 53.) ISBN 3-487-09863-6

Diese Dissertation behandelt, wie der Untertitel besagt, die 'mittelgroßen' der Homerischen Hymnen und rechnet zu dieser Kategorie, auf Basis der Länge der Stücke, die Hymnen 6, 19 und 26 – 33 (14, Anm.) – der 7. Hymnus wird, wie schon von L. H. Lenz (Der homerische Aphroditehymnus, 1975), trotz seiner 'nur' 57 Verse zu den 'großen' gerechnet. Weshalb F. aus der genannten Zehner-Gruppe gerade die Hymnen 30, 27, 28, 6 und 19 (in dieser Reihenfolge) herausgreift, ist nicht von vornherein einsichtig: Bestimmend dafür dürfte gewesen sein, daß diese Hymnen sich nach Meinung F.s besonders gut dazu eigneten, ihre 'Vier-Typen-Theorie' des Götterpreisens zu stützen (Preis der ἔργα und δῶρα der Gottheit; ihre spezifische Erscheinung / Gestalt; Schilderung einer einmaligen Begebenheit aus dem Leben der Gottheit, vor allem der Geburtsgeschichte; das für die Gottheit typische Tun); die drei ersten dieser Gesichtspunkte wurden (nach einer Anregung durch H. Patzer, der auch diese Diss. betreut hat) schon von Lenz an den Aphroditehymnus angelegt. Es handelt sich hier also um die (erweiterte) Übertragung eines Schemas von einem 'langen' Hymnus auf eine Gruppe kleinerer Hymnen mit dem Argument, daß eben diese 'mittelgroßen' προοίμια den "Normfall" darstellten zwischen den "Minimalprooimien" und den großen Stücken, die nach F. eine 'Erweiterung des Normfalles' darstellen; diese erweiterten seien, so behauptet F. in Nachfolge von Baumeister und anderen, gar keine προοίμια gewesen (zur Widerlegung dieser Ansicht s. schon Lenz, 279f.).
F. vertritt die Ansicht, daß die Homerischen Hymnen "im unlösbaren Zusammenhang mit dem Vortrag homerischer Heldendichtung an Kultfesten" gestanden seien (,Vorbemerkung', 8); sie hätten sich aus den 'Kulthymnen der Gemeinde', die sich gleichfalls an den 'vier Typen des Götterpreisens' orientiert hätten, entwickelt (bes. 40, A.1) und seien ihrerseits Spiegel für den Wettstreit einzelner, sprachlich an den homerischen Epen orientierter Rhapsoden; L. vermutet weiters, daß die uns vorliegende Sammlung eine Art Textbuch für Rhapsoden, entstanden im 5. Jh. v. Chr., gewesen sei. Diese (z. T. nicht ganz neuen) Thesen werfen eine Reihe von Fragen auf: Wie ist eine solche Datierung zu halten angesichts einiger Stücke, die mit größter Wahrscheinlichkeit jünger sind? Wenn die Homerischen Hymnen tatsächlich nur an Kultfesten bzw. -orten vorgetragen wurden, wie erklären sich dann die Preislieder an Gottheiten, die bis ins 5. Jh. hinein keinen nachweisbaren Kult (bzw. Kultort) gehabt haben (Helios, Selene, sowie auch der von F. näher behandelte H. 30 an Gaia)? Ist für die Datierung eines solchen Textbuches die Überlieferungsgeschichte genügend berücksichtigt?
Christine Harrauer
 

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