Wiener Studien - Rezension

Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition

Rezensionen der Wiener Studien 112 (1999)


Giovanni Casadio, Storia del culto di Dioniso in Argolide.Roma: Gruppo Editoriale Internazionale (GEI) 1994. XI, 370 S., VIII Tav. (Filologia e critica. 71.) ISBN 88-8011-026-8

Entstanden als Dissertation auf Anregung U. Bianchis, die "esistenza o meno di misteri dionisiaci fin all'etŕ classica" in der Argolis zu prüfen, schrieb C. das Buch im wesentlichen im Jahr 1981 und überarbeitete es (nach kleineren einschlägigen Publikationen) zwischen 1988 und 1991. Diese lange Arbeitszeit an ein und demselben Buch hat offenkundig die Freude des Autors am Thema schwinden lassen: Neuere Forschungsergebnisse zum Dionysoskult sind kaum berücksichtigt, für den archäologischen Bereich fehlt jeglicher Hinweis auf Benützung des Standardwerkes LIMC. Der Abbildungsteil wurde offenkundig erst knapp vor Drucklegung zwischen Teil 1 und Teil 2 der ,Introduzione' hinzugefügt: im Text fehlt jeglicher Hinweis darauf, erst nach dem Registerteil ist ein Blatt mit Verweis auf die entsprechenden Textseiten angehängt.
Bereits der Titel der Arbeit ist etwas irreführend: es wird nicht, mit Hilfe einer Analyse der entsprechenden Zeugnisse, die Geschichte des Dionysos-Kultes in der Argolis aufgearbeitet; dies ist nur ein Aspekt im Rahmen einer allgemeineren Behandlung des Gottes, wie schon dem ,Sommario' im Rahmen der ,Prefazione' zu entnehmen ist (p. V-XI). -- Die ,Introduzione' referiert in einem knappen Abriß Bekanntes zu Geographie und Geschichte der Argolis in mykenischer Zeit, übernimmt die (etwa von Gallavotti vertretene) Identifizierung von dirimijo diwe ijewe auf Tafel Py Tn 316 mit Dionysos und befürwortet (mit Will) den mykenischen Ursprung einer Göttertrias Zeus, Hera und Dionysos. Für die historische Zeit wird das weitgehende Fehlen archäologischer Zeugnisse konstatiert und als wichtigste literarische Quelle Pausanias angegeben mit dem Postulat, von ihm ausgehend die Tradition bis in die Bronzezeit zurückführen zu können. -- Der Hauptteil behandelt drei (unverbundene) Fragenkomplexe: Kap. 1 (51-122) die Töchter des Proitos als Beispiel für das Wirken des Dionysos, und das Fest der Agriania/Agrionia, die, vor allem in Böotien zu lokalisieren, Übertragung eines vergleichbaren Mythos in den Kult exemplifizieren sollen. Auch dieser Teil hat bloß Referatcharakter; die dabei gegebenen archäologischen Hinweise sind öfter fehlerhaft. Im 2. Kap. (123 -222) behandelt C. Ariadne als "dea in vicenda", wobei er offenkundig auf W. F. Otto und K. Kerényi zurückgreift. Das archäologische Material wird nur zur Illustration von (z. T. überholten) Thesen herangezogen (auch hier hätte die Benützung des LIMC manchen Fehler vermieden). Das 3. Kap. (223 -325) geht auf Lerna als Kultort für Dionysos Phleios und andere Vegetationsgottheiten ein, auf die Katabasis des Dionysos und auf Auseinandersetzung von Dionysos und Perseus; daran schließen Bemerkungen zum Phalloskult und zu den (nur in späten Quellen bezeugten) Mysterien von Lerna.
Christine Harrauer
 

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