Wiener Studien - Rezension

Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition

Rezensionen der Wiener Studien 112 (1999)


Die Philosophie der Antike. Band 4: Die Hellenistische Philosophie. Von Michael Erler, Hellmut Flashar, Günter Gawlick, Woldemar Görler, Peter Steinmetz. Hrsg. von Hellmut Flashar. Basel: Schwabe & Co. AG 1994. 2 Halbbde. XXVII, 1272 S. (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neubearbeitete Ausgabe. 4/1.2.) ISBN 3-7965-0930-4

Der vollkommen neu gestaltete und neu geschriebene Grundriß der Geschichte der Philosophie von Ueberweg (-Praechter), zuletzt (in 12. Aufl.) 1926 erschienen, wird in den die antike Philosophie betreffenden Teilen von Hellmut Flashar geplant und betreut und von beachtlich eingearbeiteten Spezialisten verfaßt. Der erste Band erschien 1983 (Die Philosophie der Antike, Bd. 3: Ältere Akademie - Aristoteles - Peripatos, Basel-Stuttgart 1983; dort p. IX-XX eine Geschichte des Werks und der Neuausgabe von W. J. Tinner). Was nun vorliegt, ist mit der ursprünglichen, auf die Mitte des vorigen Jh.s zurückgehenden Konzeption Ueberwegs nicht zu vergleichen: Eine umfassende, einzigartig recherchierte Darstellung der philosophischen Richtungen des sog. Hellenismus, eine in allen (mühsam zusammengetragenen) Details genau belegte Darstellung und zugleich Forschungsbericht über ein Gebiet, das oft und für die griechische Seite fast ausschließlich nur in Fragmenten, Zitaten, Interpretationen, Sekundärbeschreibungen sichtbar wird. Die Darstellung umfaßt die Kapitel Epikur (M. Erler), Die Schule Epikurs (M. Erler), Lukrez (M. Erler) im ersten, Die Stoa (P. Steinmetz), Älterer Pyrrhonismus. Jüngere Akademie. Antiochos aus Askalon (W. Görler), Cicero (G. Gawlick- W. Görler) im zweiten Halbbd. (vgl. die Rez. von G. Boys-Stones, CR 47, 1997, 212). Die einzelnen Abschnitte sind unterteilt in darlegenden Teil und Belegsammlung, verbunden durch ein System von Kurzverweisen; eine rasche Information ist dadurch ebenso gewährleistet wie durch ausführliche Zitate von Belegstellen, im Original und in deutscher Übersetzung. Dieses Verfahren kommt dann dem Benützer besonders entgegen, wenn Zeugnisse oder Zitate aus Fragmentsammlungen, Papyruseditionen oder anderen weniger leicht zugänglichen Quellen verwendet werden. Vorangestellt sind den einzelnen Abschnitten jeweils Kurzinformationen, es folgen Bibliographien, aufgeteilt auf einzelne Abschnitte, und dann Darlegungen über alle erreichbaren Primärquellen (mit Beschreibung der Inhalte, des Aufbaus, der Argumentationslinien und Interpretationen, bei allen Autoren, auch bei solchen, deren Werk nur umrißhaft kenntlich ist), Sekundärquellen und Referate, meist mit Charakterisierung der zitierenden Autoren (dies ergibt eine willkommene wissenschaftsgeschichtliche Orientierung), Forschungsberichte mit ausführlichen Beschreibungen moderner Stellungnahmen, alles geschrieben teils referierend, teils ordnend, teils abwägend, teils entschieden Stellung beziehend. Es ist kaum möglich, einzelnes herauszuheben, denn alle Beiträge sind hervorragend gestaltet, übersichtlich, klar und detailliert; erwähnen möchte ich nur, daß mir der Abschnitt über die Pyrrhonische Skepsis und die jüngere Akademie von W. Görler wegen der klar scheidenden und ordnenden Behandlung der besonders verwickelten, antike, neuere und jüngste Interpretationen kreuzenden und querenden Begriffsverwendung und -verwirrung besonderen Eindruck gemacht hat. Ein Handbuch, das verläßlich ist, eine Leistung der Verfasser, die bewundert werden muß, ein Einblick in eine wohl nur vermeintlich ausschließlich Altes repetierende und auf Einzelheiten versessene Geisteswelt, von der wir nur Schatten erahnen können.
Herbert Bannert
 

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