Wiener Studien - Rezension

Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition

Rezensionen der Wiener Studien 112 (1999)


Œuvres de saint Augustin 4/2: Dialogues philosophiques. De ordine -L'ordre. Introduction, texte critique, traduction, notes complémentaires par Jean Doignon. Paris: Institut d'études Augustiniennes 1997. 416 S. (Bibliothèque augustinienne.) ISSN 0996-4657 ISBN 2-85121-164-1

Nach der von R. Jolivet in derselben Reihe publizierten zweisprachigen Ausgabe von De ordine (BA 4, 1948), deren Text jenen der Mauriner wiedergibt, liegt nunmehr eine komplett neu gearbeitete Edition vor, die gegenüber Knöll (CSEL 63, 1922) und Green (CCL 29, 1970) den Text nicht nur durch einen reichhaltigen kritischen Apparat dokumentiert, sondern an nicht wenigen Stellen eindeutig verbessert (z. B. 1, 1, 2 distincta; 1, 7, 18 ut). Die starke Kontamination selbst der frühen Hss. (die Überlieferung setzt im 9. Jh. ein) läßt auch D. von der Erstellung eines Stemmas absehen. Während seine Gruppe α ziemlich genau der Gruppe α bei Green entspricht, ist nunmehr die Gruppe β (so Green, in der Nachfolge Knölls) aufgegeben: Lediglich einige süddeutsche Codices lassen sich zu einer Untergruppe von α zusammenfassen (μ). Angesichts dieses Sachverhalts wären freilich Zweifel an dem Postulat eines einzigen Archetypus aller Handschriften angebracht, zumal das in 2, 3, 9 einhellig überlieferte parvum (für das zurecht parum konjiziert wurde) als Leitfehler wenig überzeugend ist. - Abgesehen von Problemen der Überlieferung werden in der Einleitung Struktur, philosophiehistorische Quellen (mit wichtigen Beobachtungen zu neuplatonischen Vorbildern) sowie sprachliche Besonderheiten behandelt. Die Übersetzung ist von knappen Anmerkungen zu Sprache und philosophischen Konzepten begleitet. Letztere erfahren in den notes complémentaires ausführliche Behandlung. Auch wenn in einzelnen Fällen die Ponderierung nicht ganz geglückt erscheint - beispielsweise wäre zu der Wendung in philosophiam confugere (1, 2, 5) eine Anmerkung, die das Zusammenfallen von otium, Philosophieren und Bekehrung erläutert, hilfreicher gewesen als der Verweis auf Ciceros Metapher des Hafens der Philosophie -, wird doch dem Benützer durch den vorliegenden Band der Weg zum Verständnis dieser augustinischen Frühschrift wesentlich erleichtert.
Dorothea Weber
 

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