Wiener Studien - Rezension

Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition

Rezensionen der Wiener Studien 112 (1999)


Platon, Lysis. Übersetzung und Kommentar von Michael Bordt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998. 264 S. (Platon Werke. Übersetzung und Kommentar. Herausgegeben von Ernst Heitsch und Carl Werner Müller. V 4.) ISBN-3-525-30419-6

Der Kommentar zu Platons Lysis besteht aus einer Übersetzung, einem einleitenden Kapitel und dem eigentlichen Kommentarteil, wie auch die anderen bereits in dieser Reihe erschienenen Platonkommentare (Philebos: Band III 2, Phaidros: Band III 4, Nomoi Buch I-III: Band IX 2). Die Übersetzung ist gut lesbar. Die Genauigkeit, mit der die Sprache Platons ins Deutsche übertragen wird, ist bemerkenswert, sie erleichtert den Einstieg in die platonische Denkweise. Das einleitende Kapitel gibt einen Überblick über den Inhalt des Dialoges (60 – 64) und einen Ausblick auf das übergeordnete Thema der ,Freundschaft'. Der Begriff φιλία wird im semantischen Umfeld und im philosophischen Zusammenhang sowohl bei Platon selbst als auch bei Xenophon (z. B. im 2. Buch der Memorabilien) und Aristoteles (Nikomachische Ethik, Eudemische Ethik) beleuchtet (41–50). Die Diskussion zu Platons "systematischer Position" (75ff.) schließt an die Klärung der einleitenden Fragen an, sie ist getragen von dem Wunsch, die philosophische Auseinandersetzung mit dem Dialog fruchtbar zu machen. Anhand der ausführlichen Betrachtung der platonischen Begriffe des ‚Guten' (τὸ ἀγαθόν), des "ersten Geliebten" (τὸ πρῶτον φίλον) und des ‚Angehörigen' (τὸ οἰκεῖον) geschieht die philosophische und die chronologische Einordnung des Dialoges in das Gesamtwerk Platons (102ff.). Bedauerlich ist es, daß B. hierbei nicht gesondert auf die Nähe des Lysis zu den platonischen Dialogen Symposion und Phaidros eingeht (vgl. z. B.: P. Friedländer, Platon II, Berlin 1964, 90ff.), auf die er im wesentlichen nur im Rahmen einer längeren Anmerkung verweist (193f.). Im Kommentarteil gliedert B. den Text in Abschnitte, die jeweils in eine Inhaltsangabe (A), eine Interpretation (B) und einzelne Anmerkungen (C) aufgeteilt sind; kulturhistorische, philosophische und textliche Probleme erhalten hier Raum zur Betrachtung. Die Interpretation des Dialoges ergibt sich durchwegs aus einer sorgfältigen, philologischen Arbeitsweise, sie macht den Kommentar zu einer wertvollen, aufschlußreichen Lektüre.
Maria-Christine Leitgeb
 

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