Institut Österreichisches Biographisches Lexikon
und biographische Dokumentation

Biographie des Monats

Ein Altmeister der Wiener Feuerwerkskunst: Johann Georg Stuwer.

„Bravo, Stuwer!“, riefen einst Tausende begeisterte Schaulustige beim Anblick des Feuerwerks am Nachthimmel über dem Wiener Prater. Dessen Schöpfer, dem „Kunst- und Lustfeuerwerker“ Johann Georg Stuwer, Ahnherrn einer ganzen Pyrotechnikerdynastie, ist die diesmalige Biographie des Monats gewidmet. Sein Geburtstag jährt sich heuer zum 280. Mal.

 

Johann Georg Stubenrauch kam Anfang August 1732 im bayerischen Oberliezheim als Sohn von Johannes Stubenrauch und Anna Barbara, geb. Kling zur Welt, dokumentiert ist nur sein Taufdatum, der 2. August. Einzelheiten darüber, wie Stubenrauch über Ingolstadt nach Wien gelangte, wo er sich fortan Stuwer nannte, sind nicht bekannt.

Maria Theresia erteilte ihm ein Privileg zur Ausübung seiner Kunst, und schon sein erstes Feuerwerk 1773 im Wiener Prater wurde ein großer Erfolg. Einige Jahre darauf erhielt er einen eigenen Platz, die sogenannte Feuerwerkswiese, zugeteilt, auf der in der Folge noch sein Sohn, sein Enkel und sein Urenkel Feuerwerke abbrannten. Hier errichtete Stuwer ein großes, dauerhaftes Gerüst sowie eine hölzerne Zusehertribüne und ließ sich für die erste Vorstellung 1777 „Etwas Besonders auf dem neuen Plaze“ einfallen. Bald hatte er sich gegen seine Konkurrenten in der Pyrotechnik Peter Paul Girandolini und Joseph Mellina durchgesetzt. Stuwers Feuerwerke fanden mehrmals jährlich, zwischen April und Oktober, statt. Ein beliebtes Datum war der in Wien festlich begangene Annentag, an dem Stuwer zu Ehren der Annen dieser Stadt allerlei feurige Blumenbuketts, glitzernden Brillantschmuck, Fächer und dergleichen am Himmel aufleuchten ließ, während es sonst bei seinen Feuerwerken oft weniger lieblich zuging. Viele tausend Zuschauer strömten an solchen Abenden in den Prater. Der Eintritt betrug 20 Kreuzer, ein Platz auf der „noblen“, der 2. oder 3. Galerie kostete extra. Die Spektakel dauerten etwa 45 Minuten und bestanden aus mehreren „Fronten“ und der sogenannten Hauptdekoration. Eine gewaltige Kanonade beendete jeweils die Vorführung.

Vulkanausbruch und Schlachtendonner

Die Wienerinnen und Wiener erfuhren vom bevorstehenden Feuerwerk durch einen uniformierten Ausrufer, der in Begleitung eines Trommlers und einiger Feuerwerksgehilfen durch die Straßen zog. Schon der detaillierte Text der Ankündigungszettel machte neugierig auf die vergängliche Pracht und diente wohl auch dem besseren Verständnis einzelner Programmpunkte. Dank der überlieferten Exemplare lässt sich ein Eindruck vom damals Dargebotenen gewinnen, das naturgemäß eine Nähe zu eruptiven („Der feuerspeuende Berg Vesuv in seinem vollen Ausbruche“), kosmischen (Sonnenfinsternis, Firmament, Planeten, Tierkreiszeichen) und kriegerischen (Gefechte, Seeschlachten) Ereignissen aufwies. Gerade zu Letzterem boten Stuwer die Türkenkriege Josephs II. öfters Gelegenheit. Weitere Motive entnahm der „Löschenkohl des Feuerwerks“ (Hans Pemmer) der griechischen Mythologie (Orpheus und Eurydike, Phaetons Sturz aus dem Sonnenwagen), der Bibel (Tempel Salomons) oder der Natur im Wechsel der Jahreszeiten („Was der rauhe Winter entzieht, ersetzt der wohltätige Frühling“). Für Exotik sorgten etwa die „Seltenheiten aus China“. Unterhaltsame Landeskunde wiederum vermittelte Stuwers „Karte von Ober- und Unterösterreich“, auf der die Landesgrenzen, wichtige Flüsse und Orte verzeichnet waren, sowie „Die Erdkugel“. Stuwer brachte bewegliche Figuren ebenso zur Darstellung wie ein Schachbrett, Korngarben, sich drehende Mühlenflügel oder das bombardierte Gibraltar. Er ließ den Kaiser von China auf einem Elefanten reitend in Peking einziehen und zeigte, wie ein „Wallfisch“ harpuniert und zwecks Trangewinnung „zerhacket“ wird, wobei besondere Sorgfalt auf die „beweglichen blauen Wellen“ des Meeres gelegt wurde. Neben der Vielfalt an Feuerwerkskörpern waren es große, durchscheinende „perspektivische Zeichnungen“, mit denen Stuwer dabei besondere Effekte erzielte. Wiederholt verband er seine Feuerwerke mit Konzerten, so erklang zu den dargestellten türkischen Instrumenten „türkische Musik“, während Orpheus und Eurydike von Klängen aus Glucks Oper begleitet wurden.

 

 

Werther und Lotte im Prater

Als besonderes Kuriosum erscheint heute Stuwers sehr freie pyrotechnische Interpretation von Goethes Werther. Einer humorvollen Schilderung Adolf Bäuerles zufolge machte Werther seiner Lotte die Liebeserklärung unter einem blühenden Kirschbaum. Während seiner „feurigen Seufzer“ fielen die weißen Blüten vom Baum, dieser bedeckte sich mit grünen Blättern, und als Werther Lotte zu Füßen sank, erschienen rote Kirschen an den Zweigen. Das Publikum sei hierüber in unbeschreiblichen Jubel ausgebrochen. Gewollt oder nicht, diverse Details in der Gestaltung der Figuren erregten Heiterkeit: Werthers kurze, dünne Beine standen in merklichem Kontrast zu seinem kürbisgroßen Kopf und dem fassförmigen Bauch, er rollte furchtbar mit den Augen, und dass er ein Schwärmer war, wurde durch die hinter ihm fortwährend aufsteigenden „feurigen Schwärmer“ verdeutlicht. Lotte trug ein weißes „Flitterkleide, mehr Hemd als Kleid“. Da sie in der folgenden Dekoration mit einem Laib Brot und einem Messer zu erscheinen hatte, „so brachte sie gleich Anfangs Brot und Messer mit und anstatt die Liebeserklärung Werther’s zu erwidern, schnitt sie ihm ein Stück Brot ab.“ Kurzum, das Feuerwerk wurde zu einem Lacherfolg.

Die „Stuwerische Luftmaschine“ – erster bemannter Ballonaufstieg in der Monarchie

1784 gelang Johann Georg Stuwer der erste bemannte Ballonaufstieg in der Monarchie, an dem auch sein Sohn Kaspar (Kasper) (geb. im heutigen Landau in der Pfalz; gest. Wien, 10. 1. 1819) beteiligt war. Stuwer hatte, angespornt durch die erst im Jahr zuvor erfundene Montgolfière, einen Fesselballon konstruiert, an den er statt eines Korbes ein „großes hölzernes Schiff nagelfest anheften“ ließ. Der Ballon hatte nicht die vertraute Kugelform, sondern die Gestalt eines liegenden Zylinders, dessen Enden aus stumpfwinkeligen Kegelteilen bestanden. Bei voller Größe erreichte er die Höhe eines vierstöckigen Hauses. Nach mehreren Versuchen fand im Juli 1784 unter großer Anteilnahme der Wiener Bevölkerung der erste Aufstieg seines Fesselballons statt. An Bord des über 12 Meter langen und mehr als 4 Meter breiten Luftschiffs befanden sich vier gleich gekleidete Insassen, darunter der Architekt Hackenmüller und Kaspar Stuwer. Die „Stuweriane“ stieg, wie ein Zeitgenosse schilderte, „unter heiligstillem Staunen der Zuseher (…) auf beyläufig 30. bis 40. Klafter (…) in eine Luftgegend hinauf, die kein Deutscher (und nur seit Kurzem ein leichter französischer Körper als der erste Sterbliche,) solang das Erdengebäude sein Daseyn hat, noch jemal betretten hat.“ Nach geglücktem Versuch wurde der Ballon wieder herabgezogen und der Abend mit dem allegorischen Feuerwerk „Denkmal der Ehre auf die Erfindung der Hrn. Montgolfier“ beschlossen.

 

    

 

Bei einem späteren Aufstieg im selben Sommer, der Ballon war inzwischen bemalt, geschmückt und mit einem Ruder versehen worden, wurde schließlich „der Wunsch des Publikums, diese aerostatische Maschine frey fliehen zu sehen, wirklich durch einen Zufall erfüllet“ (Wiener Zeitung, 28. 8. 1784). Es riss nämlich das Haftseil, sodass die Insassen eine Fahrt über die Stadtgutau ans andere Ufer des Tabor-Donauarmes machten, wo sie unversehrt landeten.

Das Wetterpech der Familie Stuwer

Sprichwörtlich wie das einst anerkennende, später mit ironischer Note gebrauchte „Bravo, Stuwer“ soll auch das Wetterpech der Familie geworden sein. Häufig vereitelte überraschendes Schlechtwetter die bereits angekündigten Vorführungen, sodass die bloße Annonce eines Stuwerschen Feuerwerks scherzhalber schon als Vorbote von Regen genommen wurde. Man ging also dazu über, neben der Eintrittskarte ein Retour-Billet zu verkaufen, das für jenen Tag galt, auf den das Feuerwerk gegebenenfalls verschoben werden musste. Mehrmals machte Regen die Arbeit von Monaten zunichte, zweimal brannte außerdem Stuwers Laboratorium ab. Dennoch waren die Feuerwerke wegen der großen Besucherzahlen recht einträglich. Einnahmen brachten dem „k. k. privilegirten Kunst- und Lustfeuerwerker“ außerdem der Verkauf von Feuerwerkskörpern aus eigener Erzeugung an Privatkunden; die Auswahl war groß und reichte vom „Handpufferl“, über „Chinesische Bäume“, „Mordschläge oder Granaten“ bis zu „Doppelten Kontrabrilliantwalzen“.

 

Am 29. September 1799 gab Johann Georg nach 26-jähriger Tätigkeit sein Abschiedsfeuerwerk unter dem Titel „Tag der Dankbarkeit“. Er starb am 4. Januar 1802 in Wien und wurde auf dem St. Marxer Friedhof beigesetzt.

 

Sein feuriges Werk wurde von seinem Sohn Kasper, dessen Sohn Anton Stuwer dem Älteren (geb. Wien, 1804; gest. ebd., 7. 1. 1858) und schließlich von Anton Stuwer dem Jüngeren (geb. Wien, 2. 9. 1830; gest. ebd. 15. 7. 1905) fortgeführt. Mit den für die Wiener Weltausstellung (1873) notwendig gewordenen Umgestaltungen des Praters fand die Zeit der großen Feuerwerke schließlich ihr Ende. Heute erinnert der Name eines Wiener Stadtteils, des Stuwerviertels, an diese Ära.

 

Literatur: WZ, 30. 6., 28. 8. 1784; Czeike; Wurzbach; F. R., Die Stuwerische Luftmaschine. Oder Beschreibung der aerostatischen Versuche, welche Herr Johann Georg Stuwer k. k. Kunst- und Lustfeuerwerker in Wien gegeben hat, 1785; E. Luban, Stuwer und das Feuerwerk in Alt-Wien, in: Alt-Wien 1, 1891–92, S. 118–125; H. Pemmer – N. Lackner, Der Wiener Prater einst und jetzt, 1935, S. 36–52; H. Löw, Österreichische Pioniere der Luftfahrt, 1953, S. 21f.; H. Kronberger, Das österreichische Ballonbuch, 1987, S. 24–27; A. Reininghaus, Feuermärchen und Festkondukte, in: Die schöne Kunst der Verschwendung, ed. G. Kohler, 1988, S. 143, 145–148; Mitteilung Helmut Herreiner, Bissingen, D; Wienbibliothek im Rathaus, Wien (Feuerwerkszettel).

(Eva Offenthaler)


Besonderer Dank gilt Frau Gabriele Sander, dem Wien Museum und der Wienbibliothek im Rathaus für die kostenlose Überlassung des Bildmaterials!