Institut Österreichisches Biographisches Lexikon
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Biographie des Monats

Ein früher Vertreter der österreichischen Geschichtsforschung: Joseph Feil

Vor 200 Jahren, am 20. Juni 1811, wurde der (Hobby)Historiker Joseph Feil geboren. Sowohl in seiner Funktion als Beamter im Unterrichtsministerium als auch als Privatmann und Mitbegründer des „Alterthumsvereins zu Wien“ wurde er zu einer wichtigen Persönlichkeit der zu dieser Zeit im Aufbau begriffenen österreichischen Geschichtsforschung.

 

Joseph Sylverius Feil wurde als erster Sohn von Joseph Feil (geb. 30. 10. 1783; gest. 3. 12. 1814) und von Antonia, geb. Kammerhuber (gest. 1843) im damals niederösterreichischen Neubau (heute Wien-Neubau) geboren. Sein Vater besaß dort eine renommierte Metallwarenfabrik. Joseph Feil besuchte die Zollersche Hauptschule sowie von 1822 bis 1828 das Gymnasium der Piaristen am Neubau. 1828/29 absolvierte er den ersten philosophischen Jahrgang an der Universität Wien und studierte hier von 1830 bis 1834 Rechtswissenschaften. Anschließend trat Feil als (zunächst unbesoldeter) Konzeptspraktikant bei der niederösterreichischen Kameral-Gefällenverwaltung ein, die für die Einhebung von Zöllen, Mauten sowie von verschiedenen Steuern und Gebühren zuständig war. Ab 1842 war er besoldeter Konzipist, 1847 stieg er zum Kameralkonzipisten auf.

 

Historische Forschungen: vom Nutzen des Hobbys für die berufliche Laufbahn

Feil begann sich schon früh für die Geschichte Wiens und Niederösterreichs zu interessieren, nachdem er bei zahlreichen Wanderungen und Ausflügen in der Umgebung Wiens die dortigen Burgen und Schlösser kennengelernt hatte. Während seines Studiums belegte er neben juristischen auch immer wieder historische Vorlesungen. Seine besondere Vorliebe galt der mittelalterlichen Geschichte. Er betrieb penible Quellenstudien und führte auch vor Ort topographische und archäologische Forschungen durch. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse veröffentlichte er in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften wie der „Wiener Zeitung“ oder Adolf Schmidls „Oesterreichischen Blätter für Literatur und Kunst…“. Diese Publikationen machten ihn schon bald zu einem in Fachkreisen anerkannten Historiker. Auch Unterrichtsminister Leo Graf Thun-Hohenstein wurde auf ihn aufmerksam. Thun-Hohenstein hatte im Rahmen der von ihm 1849 initiierten Universitätsreform eine Aufwertung der Philosophischen Fakultät vorgenommen, die bis dahin als „Artistenfakultät“ lediglich den Vorbereitungsunterricht für das Studium an den höheren Fakultäten bestritten hatte. 1850 bestellte der Minister Feil zum Prüfungskommissär für österreichische Geschichte an der Universität Wien. Die ihm ebenfalls angebotene Lehrkanzel hatte Feil unter Berufung auf seine unzulängliche historische Bildung abgelehnt; im privaten Rahmen äußerte er allerdings seine Bedenken dagegen, „zu jener Zeit österreichische Geschichte ehrlich und zugleich ohne Anstoß vorzutragen“. 1851 wurde Feil auf Antrag des Ministers in das Unterrichtsministerium versetzt. 1854 wurde er zum Ministerialsekretär ernannt; diese Stellung sollte er bis zu seinem Tod bekleiden.

 

Im Unterrichtsministerium

In seiner neuen Funktion war Feil vor allem für Angelegenheiten zuständig, die die Universität Wien und hier speziell die historischen Institute betrafen – eine Tätigkeit, die seinen privaten Interessen stark entgegenkam. Der Ministerialsekretär Feil setzte sich vor allem für das 1854 gegründete Institut für Österreichische Geschichtsforschung ein. Dessen Vorstand P. Albert Jäger, mit dem Feil persönlich bekannt war, hatte seit 1851 den von Feil abgelehnten Lehrstuhl für österreichische Geschichte inne. Feil unterstützte Jägers Bemühungen, den Studenten des Instituts den Zugang zu Bibliotheken und Archiven zu ermöglichen, um anhand der dortigen Handschriften und Urkunden mittelalterliche Schriftenkunde, Urkundenlehre und ähnliche Fächer studieren zu können. Zu Übungszwecken stellte er dem Institut auch eigenes Urkundenmaterial zur Verfügung und ermöglichte die vom Dozenten für historische Hilfswissenschaften Theodor von Sickel angeregte Anlegung einer aus Beständen verschiedener österreichischer und oberitalienischer Archive erstellten Faksimilesammlung.

 

Feil und der „Alterthumsverein zu Wien“

Feil betrieb seine historischen Forschungen nicht für sich allein, sondern befand sich im Austausch mit gleichgesinnten Freunden und Bekannten. Ab 1837 gehörte er gemeinsam mit Ernst von Birk, Theodor von Karajan, Albert von Camesina und anderen dem sogenannten „Diensttagkränzchen“ an, einer zunächst zwanglosen Vereinigung von Privatpersonen, die sich mit der „vaterländischen“ Geschichte befassten. In diesem Kreis schlug Feil 1846 erstmals die Gründung eines Altertumsvereins nach dem Vorbild von Tirol und der Steiermark vor. Nachdem kulturell interessierte Persönlichkeiten aus dem Hochadel wie beispielsweise Aloys II. Fürst zu Liechtenstein dafür gewonnen worden waren, konnte 1853 die Erlaubnis für die Vereinsgründung erreicht werden. Nach Bewilligung der Statuten durch Kaiser Franz Joseph I. wurde am 23. April der provisorische Ausschuss des „Alterthumsverein zu Wien“ gewählt, dem auch Joseph Feil angehörte. Ein Jahr später wurde er zum definitiven Ausschussmitglied und stellvertretendem Präsidenten gewählt.

Neben diesen Funktionen war Feil noch (Ehren)Mitglied weiterer historischer Vereine und gelehrter Gesellschaften wie der historischen Vereine für Oberbayern (1849), von München (1850) und für Steiermark (1852), der historisch-statistischen Sektion der mährisch schlesischen Gesellschaft für Landeskunde (1856) und des Geschichtsvereins für Kärnten (1857). 1851 wurde er korrespondierendes und 1858 wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien.

Im Wiener Altertumsverein regte Feil die Herausgabe einer eigenen ab 1856 erscheinenden Publikationsreihe, der „Berichte und Mitteilungen des Alterthumsvereins zu Wien“ an. Feil war bis zu seinem Tod Redakteur der „Berichte“ und veröffentlichte hier auch zahlreiche eigene Arbeiten. Trotz seines sich laufend verschlechternden Gesundheitszustandes aufgrund eines von seinem Vater ererbtem Lungenleiden war Feil bis zuletzt im Ministerium und für den Alterthumsverein tätig. Dagegen musste er den 1860 an ihn ergangenen Antrag, für Kronprinz Rudolf einen „Österreichischen Plutarch“, eine Sammlung von Biographien verdienstvoller Österreicher zu verfassen, ablehnen.

Joseph Feil starb am 29. Oktober 1862 in Wien. Er wurde zunächst auf dem Schmelzer Friedhof begraben. Nachdem dieser 1893 aufgelassen worden war, wurden seine Gebeine auf den Wiener Zentralfriedhof überführt, wo er ein Ehrengrab erhielt. Der Großteil seiner über 5.000 Titel umfassenden Bibliothek wurde von der Wiener Stadtbibliothek erworben; sein Briefnachlass befindet sich heute in der Handschriftensammlung der Wienbibliothek.

 

W.: s. Margareta Hörmann, Joseph Feil (1811-1862). Leben und Werke, phil. Diss. Wien, 1959, Anhang.

L.: Almanach der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 13, 1863, Anhang, S. 51-59; Alphons Lhotsky, Geschichte des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 1854-1954, s. Reg.; ÖBL 1; Margareta Hörmann, Joseph Feil (1811-1862). Leben und Werke, phil. Diss. Wien, 1959; Rudolf Till, Josef Feil. Zu seinem hundertsten Todestag, in: Wiener Geschichtsblätter 18 (78), 1963, S. 129-134; Wiener Geschichtsblätter 33, 1978, H. 3; Materialiensammlung ÖBL; röm.-kath. Pfarre St. Ulrich, Universitätsarchiv, Wiener Stadt- und Landesarchiv, alle Wien.

(Ulrike Denk)